Wenn du Angebote schreibst, ist die größte Herausforderung selten der Preis selbst – sondern die Frage: Wie lange brauche ich dafür wirklich?
Viele Selbständige unterschätzen den Aufwand systematisch. Nicht aus Unfähigkeit, sondern weil Erfahrung, Druck oder Kundenwünsche das Bauchgefühl verzerren. Ergebnis: zu niedrige Angebote, unprofitabler Stress und das Gefühl, ständig hinterherzuarbeiten.
Eine solide Aufwandsschätzung schützt dich – und stärkt deine Preise. Wenn du klar kalkulierst, baust du Projekte so, dass sie zu dir passen und nicht gegen dich arbeiten.
Inhalt
- Warum Aufwandsschätzung so oft schiefgeht
- Die Grundlage: Arbeit in Einheiten denken
- Schritt 1: Aufgaben strukturiert auflisten
- Schritt 2: Jede Aufgabe grob schätzen
- Schritt 3: Komplexität berücksichtigen
- Schritt 4: Risiken & Unsicherheiten einpreisen
- Schritt 5: Feedbackschleifen realistisch einstufen
- Schritt 6: Projektmanagement ist ein eigener Aufwand
- Schritt 7: Realistische Gesamtzeit berechnen
- Schritt 8: Aus Aufwand × Stundensatz wird ein Angebot
- Schritt 9: Deine Schätzung wird von Auftrag zu Auftrag besser
- Eine realistische Aufwandsschätzung schützt dich und dein Business
Warum Aufwandsschätzung so oft schiefgeht
Es gibt drei typische Gründe, warum Selbständige danebenliegen:
- Optimismusfalle:
Man plant Best-Case statt Real-Case.
„Das mache ich in zwei Stunden“ dauert dann sieben. - Kundenblindheit:
Du kennst den Kunden nicht gut genug und kalkulierst ohne Puffer. - Fehlende Struktur:
Ohne methodische Schätzung hangelst du dich von Gefühl zu Gefühl.
All das ist normal – aber vermeidbar.
Die Grundlage: Arbeit in Einheiten denken
Je größer das Projekt, desto ungenauer die Schätzung.
Deshalb brichst du jedes Projekt zuerst in kleine Einheiten herunter:
- Aufgaben
- Zwischenschritte
- Feedbackschleifen
- Abhängigkeiten
- Lieferumfänge
„Eine Website“ ist unkonkret.
„Startseite, fünf Unterseiten, SEO-Basics, Kontaktformular, zwei Feedbackrunden“ ist klar.
Je kleiner die Einheiten, desto realistischer die Schätzung.
Schritt 1: Aufgaben strukturiert auflisten
Lege alle Aktivitäten offen – wirklich alle.
Viele vergessen zum Beispiel:
- Projektmanagement
- Rückfragen
- Korrekturen
- Abstimmungsschleifen
- Dateipflege
- Meetings
- technische Einrichtung
- unproduktive Wegezeiten
Alles, was Zeit frisst, gehört in die Liste.
Schritt 2: Jede Aufgabe grob schätzen
Nutze einfache Zeiteinheiten wie:
- 0,5 Stunden
- 1 Stunde
- 2 Stunden
- 4 Stunden
Mach keine Wissenschaft daraus.
Du brauchst keine Minuten-Schätzungen, sondern robuste Zeitblöcke.
Beispiel:
- „Konzeption“ = 4 Stunden
- „Feedbackrunde mit Kunde X“ = 2 Stunden
- „Einrichtung des Tools“ = 1 Stunde
Unterschätze niemals Kommunikation.
Die meisten Projekte scheitern nicht am Doing, sondern am Drumherum.
Schritt 3: Komplexität berücksichtigen
Nicht jede Aufgabe ist gleich schwer.
Für komplexe Aufgaben brauchst du mehr Zeitblöcke. Komplexität entsteht durch:
- mehrere Stakeholder
- unklare Briefings
- technische Abhängigkeiten
- kreative Prozesse
- viele Entscheidungen
- hohe Verantwortung
Komplexität erhöht den realen Aufwand – manchmal um das Doppelte.
Plane das bewusst ein.
Schritt 4: Risiken & Unsicherheiten einpreisen
Jedes Projekt hat Überraschungen. Deshalb brauchst du einen Risikofaktor.
Klassische Puffer-Modelle:
- 10 % bei sehr klaren Projekten
- 20 % bei normaler Unsicherheit
- 30–40 % bei neuen Kunden oder diffusen Anforderungen
Der Puffer ist nicht unfair. Er ist elementar, damit du am Ende nicht draufzahlst.
Schritt 5: Feedbackschleifen realistisch einstufen
Der häufigste Schätzfehler:
Feedback wird ignoriert – oder viel zu knapp kalkuliert.
Regel:
- 1 Feedbackrunde braucht meist 1–3 Stunden
- 2 Feedbackrunden selten unter 4–6 Stunden
- 3 Runden sind ein klares Warnsignal
Wenn du es sauber machst, definierst du in deinem Angebot die Anzahl der Korrekturen ganz klar. Alles darüber wird separat berechnet – und das kommunizierst du von Anfang an.
Schritt 6: Projektmanagement ist ein eigener Aufwand
PM ist keine Nebensache.
Dazu zählen:
- Kommunikation
- Abstimmungen
- Planung
- Zeitmanagement
- Datei-Handling
- interne Organisation
Üblicher Ansatz:
10–20 % des Gesamtaufwands sind realistisch.
Viele Selbständige verzichten darauf – und arbeiten dann kostenlos.
Schritt 7: Realistische Gesamtzeit berechnen
Jetzt setzt du alles zusammen:
- Summe aller geschätzten Aufgaben
- Komplexitätsaufschlag
- Risiko-Puffer
- Projektmanagement
- Archivierung / Übergabe
- Feedbackschleifen
Ergebnis: dein realer Projektaufwand.
Erst JETZT kommt der Stundensatz aus Teil 2 ins Spiel.
Schritt 8: Aus Aufwand × Stundensatz wird ein Angebot
Beispiel:
- Aufgaben gesamt: 18 Stunden
- Komplexität: +20 % → 3,6 h
- Puffer: +20 % → 3,6 h
- PM: +15 % → 2,7 h
Gesamt: 27,9 Stunden /
Gerundet: 28 Stunden
× Stundensatz 90 € = 2.520 € Angebotspreis.
Das ist fair vertreten, nachvollziehbar und profitabel.
Schritt 9: Deine Schätzung wird von Auftrag zu Auftrag besser
Gute Aufwandsschätzung entsteht durch Praxis.
Dokumentiere:
- welche Aufgaben länger dauerten
- wo du dich verschätzt hast
- welcher Kunde wie viele Feedbackrunden braucht
So entwickelst du nach und nach dein eigenes Modell. Mit der Zeit wird deine Schätzung so präzise, dass du innerhalb von Minuten solide Angebote schreiben kannst.
Eine realistische Aufwandsschätzung schützt dich und dein Business
Wenn du deine Projekte konsequent strukturierst, Puffer einplanst und Risiken ehrlich einschätzt, arbeitest du auf einer ganz anderen Grundlage. Du machst Angebote souverän, du bleibst gelassener im Projektverlauf und du weißt zu jedem Zeitpunkt, warum ein Preis gerechtfertigt ist.
Diese Klarheit stärkt nicht nur deine Kalkulation – sie stärkt dein gesamtes Unternehmertum.

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