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Schlaue Menschen wählen Bildung

Bildung

Der Saarbrücker Staatsrechtsprofessor Joachim Burmeister schloss eine Vorlesung zu den Grundrechten einst mit den Worten „Der größte Nachteil der Demokratie ist, dass auch die Dummen wählen dürfen“. Er erntete damit im Hörsaal sowohl Buh- wie Bravo-Rufe.

Doch ganz gleich, ob man das Wahlrecht der intellektuell heterogenen Ausstattung des Wahlvolks wegen für reformbedürftig hält – es lohnt sich, über Burmeisters Worte nachzudenken.

Bildung als Rohstoff für Demokratie

Nun ist dumm zwar begrifflich nicht das Gleiche wie ungebildet und schlau nicht identisch mit gebildet, faktisch aber eben oft schon. Glücklicherweise ist Dummheit dort, wo sie bloß aus einem Mangel an Bildung resultiert, heilbar.

Burmeisters provokant klingende These ist deshalb dahingehend aufzufassen, dass Bildung den Rohstoff für ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen darstellt. Die Funktionalität einer Demokratie ist auch abhängig vom Bildungsgrad der Bevölkerung. Aus Bildungs-Defiziten erwachsen früher oder später Demokratie-Defizite, die die Gesellschaft destabilisieren.

Bildung ist Macht

Ein Rückgriff in die deutsche Geschichte zeigt den direkten Zusammenhang zwischen Bildung und der Teilhabe großer Bevölkerungsteile an politischen Prozessen.

Jahrhundertelang hatte ein Klüngel aus Klerus und Gottesgnaden-Fürsten die Bevölkerung für dumm verkauft – stets unter Berufung auf ein „Gesetz“, dessen Inhalt kaum ein Mensch nachprüfen konnte. Es war in Latein verfasst und stand zur Interpretation nur der Herrscher-Elite offen.

Als Martin Luther es wagte, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen, kam das dem Establishment vor, als hätte einer das Tor zur Hölle aufgestoßen. Doch es war das Tor zum Herrschaftswissen, das Luther geöffnet hatte – Wissen ist Macht.

Reformatorische Engländer waren es, die in der Folge die neue Welt Amerika besiedelten und kultivierten. Aus ihrem Erbe wuchs die größte und wirtschaftlich stärkste Demokratie der Welt – eine Rolle, die die USA nicht zuletzt aufgrund mittlerweile dramatischer Bildungsunterschiede ihrer Bevölkerung dabei sind, zu verspielen. Aber das nur nebenbei.

Bildung als Basis für Emanzipation

Ebenfalls ganz nebenbei erwies sich Luther auch noch als Begründer einer frühen Emanzipation. Denn Mädchen in reformatorisch geprägten Gebieten Deutschlands zeigten bald eine wesentlich höhere Lesekompetenz als die in katholischen Gebieten. Evangelische Mädchen waren natürlich nicht grundsätzlich schlauer – aber sie wurden von ihren frommen Vätern vermehrt in die Schule geschickt, um das Lesen der Bibel zu lernen.

Bildung schafft Wohlstand

Dass Menschen und Gesellschaften mit niedrigem Bildungsgrad von mächtigen Eliten ausgenutzt werden, ist übrigens bis heute ein zwangsläufiger Mechanismus. Beispiel Bangladesch, eines der Armenhäuser der Welt. Millionen Menschen fertigen dort zu Hungerlöhnen Klamotten für deutsche Verbraucher – 50 Prozent der Bevölkerung ab 15 sind Analphabeten. Bildung schafft Wohlstand und freiheitliche Selbstbestimmung.

Deutschland braucht Bildung

Beim Thema Lesekompetenz nun lohnt ein Blick auf den soeben vorgelegten Bildungsbericht des Bundesbildungsministeriums. Der Fähigkeit zu lesen und zu schreiben, folgt jede weitere Entwicklung: politisch, technologisch, medizinisch, gesellschaftlich – und sie ist unverzichtbare Grundbedingung zur selbstbestimmten Teilhabe der Menschen am gesellschaftlichen Leben.

Angesichts der Situation in Deutschland ist alles Meckern auf hohem Niveau. Dennoch offenbart der Bildungsbericht ein auf Dauer nicht hinnehmbares elementares Bildungs-Defizit bei Teilen der Bevölkerung.

Grundsätzlich gilt: In Deutschland kann jeder Erfolg haben – aber nicht alle.

Bei Angehörigen sogenannter bildungsferner Schichten sowie bei Menschen mit Migrations-Hintergrund ist die Lesekompetenz wesentlich schwächer ausgeprägt, als beim Bevölkerungsdurchschnitt. Die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium oder gar eine Hochschule zu besuchen, ist bei Kindern aus sozial schwächeren Familien dazu weit geringer, als bei Kindern aus sozial und wirtschaftlich starken Strukturen.

Hinzu kommt, dass jährlich mittlerweile rund eine Viertelmillion Jugendlicher nach dem Schulabschluss keine Lehrstelle finden, sondern in „Übergangslösungen“ wechseln – oft, weil es ihnen an Ausbildungsreife fehlt. Sprich, sie bringen bildungsmäßig nicht das mit, was der Markt fordert.

Diese Umstände zu dulden, ist nichts anderes, als Vernachlässigung und ein auch staatlich verantwortetes Demokratie-Defizit. Denn in einer Volkswirtschaft, deren einziger Rohstoff Bildung ist, ist die Herstellung von Chancengleichheit demokratisches Grundrecht.

Dieses Grundrecht erwächst wenn schon nicht aus ethischer Verantwortung und Gutmenschentum, dann allein schon aus wirtschaftspolitischer Notwendigkeit. „Die deutsche Wirtschaft wird bald jeden jungen Menschen brauchen“, konstatiert das Bildungsministerium im Berufsbildungsbericht. Menschen, denen aufgrund mangelnder Bildung Zugang und Teilhabe am System verwehrt bleiben, kosten viel Geld und deren Unzufriedenheit birgt die Gefahr der Destabilisierung.

Da sind wir auch wieder bei Professor Joachim Burmeister und dem Wahlrecht. Dumme Menschen wählen Parteien mit Hassparolen und, ja, mit Heil(s)-Versprechen.

Bildung

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