Die stellvertretende Pflegedienst-Direktorin am Münchner Klinikum Großhadern fühlte sich in alte Zeiten zurückversetzt. Durch ihre Funktion war sie gleichzeitig stellvertretendes Mitglied des Klinikvorstands. Doch von einem Tag auf den anderen war sie zu den Sitzungen des Gremiums nicht mehr zugelassen – das beschloss der Vorstand in einer Sitzung, an der sie nicht teilnahm. Künftig solle sie nur noch dabei sein dürfen, wenn der offizielle Stellvertreter-Fall eintritt.
Das Pikante daran: Alle anderen stellvertretenden Vorstände wurden weiterhin eingeladen – und sie war die einzige Frau unter ihnen.
Die Frau fühlte sich diskriminiert, wandte sich an einen Anwalt für Arbeitsrecht in München und klagte gegen das Klinikum. Das Arbeitsgericht München folgte ihrer Argumentation und sprach ihr eine Entschädigung von 4.000 Euro zu. Sie sei wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden – ein klarer Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
Inhalt
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – ein Überblick
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Menschen vor Diskriminierung – nicht nur im Arbeitsleben, sondern in vielen Lebensbereichen. Es verbietet Benachteiligungen aufgrund von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität.
Obwohl das Gesetz bereits seit 2006 gilt und im Wortlaut eindeutig ist, kommt es immer wieder zu Verstößen. Besonders im Bewerbungsprozess tappen viele Arbeitgeber in die Diskriminierungsfalle – oft unabsichtlich, manchmal aus Unwissenheit.
Ein bekanntes Beispiel: Die Berliner Tageszeitung taz veröffentlichte einst eine Stellenanzeige, in der sie ausdrücklich eine Volontärin mit Migrationshintergrund suchte – Menschen ohne diesen Hintergrund waren unerwünscht. Ein abgewiesener Bewerber (selbst mit Migrationshintergrund) klagte nach dem AGG und bekam rund 2.700 Euro Entschädigung. Zwar stammt dieser Fall aus dem Jahr 2006, er zeigt aber beispielhaft, wie gut gemeinte Absichten rechtlich ins Gegenteil kippen können.
AGG im Wandel – Reformvorschläge und Diskussionen
Seit einiger Zeit wird über eine Reform des AGG diskutiert. Kritisiert wird unter anderem, dass die Beweislast zu sehr auf den Schultern der Betroffenen liegt. Außerdem wird über eine Erweiterung der geschützten Merkmale gesprochen, z. B. um soziale Herkunft oder Körpergewicht.
Auch der Begriff „Rasse“, der noch im Gesetz steht, soll gestrichen oder ersetzt werden – er gilt als veraltet und problematisch. In der Praxis nutzen viele Stellen bereits neutralere Begriffe wie „ethnische Herkunft“.
Für dich als Unternehmer\*in bedeutet das: Es lohnt sich, die aktuelle Diskussion zu verfolgen – denn bei einer künftigen Gesetzesreform könnten neue Pflichten auf dich zukommen.
So gestaltest du den Bewerbungsprozess AGG-konform
Besonders in kleinen Betrieben kann es nachvollziehbare Gründe geben, bestimmte Personengruppen nicht zu bevorzugen. Vielleicht schrecken dich Umbaukosten für barrierefreie Zugänge oder zusätzliche Toiletten ab. Oder du befürchtest krankheitsbedingte Ausfälle bei älteren Bewerbern.
Trotzdem gilt: Wer Menschen allein aufgrund gesetzlich geschützter Merkmale ausschließt, verstößt gegen das AGG – auch in der Stellenanzeige oder bei der Formulierung von Absagen. Gerade Kleinunternehmer\*innen riskieren hohe Entschädigungszahlungen, die existenzbedrohend sein können.
Deshalb mein Tipp: Lass deine Ausschreibung und den gesamten Bewerbungsprozess von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen.
Gute Absicht – schlechte Umsetzung?
Ein fiktives, aber realistisches Beispiel: Ein Handwerksbetrieb möchte besonders junge Menschen mit Migrationshintergrund fördern. Also schickt der Meister einen türkischstämmigen Azubi zur begehrten Fortbildung – nicht wegen seiner Leistung, sondern wegen seiner Herkunft.
Das mag gut gemeint sein, ist aber juristisch heikel. Denn Kolleg\*innen könnten sich benachteiligt fühlen – und klagen. Das AGG schützt eben nicht nur Minderheiten vor Diskriminierung, sondern auch die vermeintlich „stärkeren“ Gruppen.
Wo das AGG (noch) nicht greift
Das AGG schützt nur vor Diskriminierung in klar definierten Bereichen. Wer also als Kölner keinen Düsseldorfer einstellen möchte oder als Dortmunder einen bekennenden Bayern-Fan meidet, bewegt sich rechtlich (noch) auf sicherem Terrain. Denn: Herkunft aus einer bestimmten Stadt oder ein Fußballverein gelten nicht als gesetzlich geschützte Merkmale.
Vermeide Risiken, schütze dein Unternehmen
Das AGG ist kein Bürokratiemonster, sondern ein Schutzschild – für Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen. Wer klug handelt, fair auswählt und seine Entscheidungen sauber dokumentiert, hat nichts zu befürchten. Und falls doch mal Unsicherheit aufkommt: Lieber frühzeitig rechtlichen Rat einholen als später teuer zahlen.

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