„Mitarbeitergespräch“ klingt (und das ist auch kein Wunder, schließlich fehlt jeglicher Hinweis auf den Vorgesetzten im Wort) nach Arbeit und Aufwand für die Führungskraft und Nutzen für den Mitarbeiter. Mal anders betrachtet muss der Köder aber nicht nur dem Fisch schmecken….
Damit keine Missverständnisse aufkommen: mit „Mitarbeitergespräch“ meine ich nicht das „Zielvereinbarungsgespräch“. Natürlich kann und sollte man diese beiden (zeitlich und inhaltlich) miteinander verbinden, gesetzt den Fall, Sie haben ein Bonus-System mit Zielerreichungsabhängigkeit im Hause. Da ich davon nicht in allen Fällen ausgehe, grenze ich das Zielvereinbarungsgespräch in diesem (Kon)text aus.
In diesem Artikel wird es darum gehen, wozu ein strukturiertes Orientierungsgespräch gut ist, was typische Inhalte sind (inklusive verwendbarem Leitfaden) und wie man es führen kann.
Und damit sind wir auch schon mitten im Thema:
„Wozu soll ich ein Mitarbeitergespräch führen, wenn ich weder Ziele vereinbare noch dessen Erreichung bespreche?!“
Nicht selten höre ich auch:
„Mitarbeitergespräch? Ich spreche alle Nase lang mit meinen Mitarbeitern, wozu soll ich das denn noch mal extra machen – kostet doch nur Zeit?!“
Stimmt, kostet Zeit.
Und wie bei allen Dingen, die man neu erlernt, kann das im ersten Anlauf auch pro Mitarbeiter eineinhalb Stunden „kosten“. Hinzu kommt noch die Vorbereitungszeit für den Mitarbeiter, die je nach Geübtheit 30-60 Minuten in Anspruch nehmen kann.
Aber auch Zeit ist relativ. In Relation zum Beispiel zu den Kosten durch Abwanderung guter Mitarbeiter oder dem Produktivitätsverlust durch unzufriedene Mitarbeiter sind (inkl. Durchführung) dreieinhalb Stunden auf ein Jahr mit durchschnittlich knapp zweitausend Arbeitsstunden KEINE Hürde.
Nun ist ein strukturiertes, vorbereitetes Gespräch allein kein Garant dafür, Ihre Fluktuationsrate auf Null zu senken oder ausschließlich hochmotivierte, glückliche Mitarbeiter zu haben.
Inhalt
Aber worauf kommt es beim Orientierungsgespräch an?
Aus Mitarbeitersicht ist es essentiell zu wissen:
- Wo stehe ich?
- Wie wird meine Arbeit gesehen?
- Habe ich in dieser Firma Entwicklungsmöglichkeiten / eine Karriere und wenn ja: wie könnte die aussehen?
Dahinter steckt nicht selten die Frage (und manchmal Sorge), ob man mit seiner Ausbildung, den (erworbenen) Fähigkeiten und Fertigkeiten an der richtigen Stelle ist und ob es wohl noch ein Vorankommen gibt in dieser Firma, oder ob man sich dafür besser woanders umschauen sollte.
Setzen wir also vor das „Gespräch“ statt „Mitarbeiter“ mal „Orientierungs“, dann kann so ein Instrument dem Vorgesetzten und dem Mitarbeiter im Idealfall zu mehr Transparenz, Identifikation (mit den Aufgaben und dem Unternehmen) und einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit, Verbindlichkeit sowie gegenseitigem Vertrauen verhelfen.
Wenn Sie das auch „zwischen Tür und Angel“ hinkriegen – Glückwunsch, dann können Sie sich Sie sich das Weiterlesen sparen.
WOZU ein strukturiertes Gespräch?
Das „Orientierungsgespräch“ ist im Grunde ein praktisches, einfaches und empfohlener Maßen regelmäßiges Führungsinstrument.
Inhalte, Sinn und Zweck für beide Seiten:
- Klarheit schaffen über gegenseitige aktuelle und künftige Erwartungen, Kenntnisse, Fähigkeiten, ein gemeinsames Aufgabenverständnis sowie die Entwicklungspotenziale des Mitarbeiters. Verstehen der beruflichen Interessen und Veränderungswünsche, um gezielte Förder- und Entwicklungsmaßnahmen für den Mitarbeiter zu diskutieren.
- Möglichkeiten zur Erhaltung bzw. Verbesserung der Leistungsfähigkeit, der Arbeitszufriedenheit und der Motivation besprechen.
- Die Ausgestaltung der Arbeitssituation/–beziehung aus beiden Perspektiven beleuchten, Anregungen und Ideen einbringen und damit ihre Zusammenarbeit, ihren Umgang miteinander und ihr persönliches Arbeitsklima verbessern.
- Der Vorgesetzte lernt die Bedürfnisse und Vorstellungen seines Mitarbeiters hinsichtlich der beruflichen Entwicklung und Qualifikationen besser kennen und kann diese im Rahmen seiner Möglichkeiten entsprechend unterstützen und fördern.
- Klären und Stärken der Eigenverantwortung und Initiative der Arbeitnehmer.
An dieser Stelle möchte ich auf die Einbindung Ihres Betriebsrates hinweisen (falls vorhanden). Die Arbeitnehmervertretung hat bei der Einführung eines Beurteilungssystems ein Mitbestimmungsrecht (§ 94 und § 84 BetrVG). Ein „Orientierungsgespräch“ ist AUSDRÜCKLICH KEIN Beurteilungsgespräch. Daher besteht maximal eine Informationspflicht seitens des Unternehmens – aber damit es da gar nicht erst zu Missverständnissen kommt, möchte ich empfehlen, dass Sie schon in den Gesprächs-Kinderschuhen Ihren Betriebsrat ins Boot holen und die Ziele des strukturierten, regelmäßigen Gesprächs darlegen!
Apropos Struktur. Wie kann so ein Orientierungsgespräch ablaufen?
Inhalte und Durchführung des Mitarbeitergesprächs
Drei Teile:
- Vorbereitung
- Durchführung
- Wiedervorlage
Zu den einzelnen Teilen nun detailliert mit praktischen Hilfestellungen:
1. Vorbereitung
|
2. Durchführung
Im Gespräch werden typischer Weise folgende Inhalte besprochen:
- Arbeitsbedingungen (räumliche Ausstattung, Arbeitsmittel, Arbeitsprozesse, zeitliche und personelle Ressourcen)
- Belastungen (Körperlich / Geistig / Stress)
- Kommunikation und Zusammenarbeit mit Kollegen und anderen Bereichen
- Vorstellungen, Wünsche, Ideen und Anregungen – Perspektiven und Erwartungen werden abgeglichen
- Erfüllung von Arbeitszielen und -aufgaben
Eine chronologische Gliederung bietet sich bei der Gesprächsführung an (von der Vergangenheit in die Zukunft). Diese Gesprächsinhalte sollten der Vorbereitung und als Leitfaden im Gespräch dienen. Zur Vorbereitung können Sie eine Spalte für Ihre Notizen einfügen. Gleiches gilt für die Mitarbeiter.
LEITFRAGEN FÜR DEN VORGESETZTEN |
RÜCKBLICK
GEGENWART
ZUKUNFT
|
LEITFRAGEN FÜR DEN MITARBEITER |
RÜCKBLICK
GEGENWART
ZUKUNFT
|
Worauf sollten Sie in der Vorbereitung und im Gespräch achten:
Bei den Fragen nach der Leistung, nach Potential und Talent des Mitarbeiters werden Sie als Führungskraft kaum um eine Rückmeldung (neudeutsch: Feedback) drumherumkommen. Schließlich geht es dabei darum, wie SIE dessen Arbeit wahrnehmen. Das menschliche Hirn, so genial es ist, unterliegt verschiedenen Wahrnehmungsverzerrungen oder „Wahrnehmungsfehlern“. Damit Sie diesen nicht unwissend aufsitzen, empfehle ich Ihnen in Ihrer Vorbereitung Ihre „Sicht der Dinge“ zu überprüfen – dafür finden Sie im Anhang eine Zusammenstellung typischer „Wahrnehmungsfehler“ zum Download.
Zusätzlich finden Sie Tipps und Hinweise zum Thema „Feedback geben“. Auch wenn man täglich mehrfach (un-/gefragt) äußert, was und wie man selber Dinge sieht, so ist das leider häufig nicht die Art und Weise, die hilfreich für beide Seiten ist. Versuchen Sie doch mal Ihren Stil zu bereichern und Sie werden feststellen, dass auch kritische Rückmeldungen nicht im Streit enden müssen. Für Ihren „Feedbacknehmer“ gibt es dabei selbstverständlich auch zu beachtende Regeln, die Sie Ihrem Gesprächspartner einfach mit dem Vorbereitungsleitfaden zukommen lassen können.
3. Wiedervorlage
- Bewahren Sie Ihre Notizen auf.
- Setzen Sie einen Zeitpunkt fest (Gesprächszeitpunkt + 6 Monate), zu dem Sie mit Ihrem Mitarbeiter auf Vereinbarungen / Ziele zurückblicken möchten, um Bilanz zu ziehen und ggf. Korrekturmaßnahmen einzuleiten.
- Führen Sie dieses Gespräch zwei Mal im Jahr (immer anknüpfend an das vorherige Gespräch).
Ich möchte darauf hinweisen, dass die Leitfragen, die ich Ihnen hier zu Verfügung stelle keines falls allumfassend sind oder „in Stein gemeißelt“. Jeder Betrieb, jedes kleine und große Unternehmen sollte seine Geschäftspraxis und die betriebliche Nähe prüfen und integrieren. Wie beim Thema „Motivation“ aus der letzten Woche, gibt es beim Orientierungsgespräch kein ONE fits all. Wenn Sie beispielsweise eine Art Kompetenzmodell oder Führungsleitlinien im Hause haben, muss ein Gesprächsleitfaden unbedingt diese kulturellen Eigenarten umfassen. Wenn Sie den Fortbildungsbedarf mit Hilfe des Orientierungsgesprächs strukturiert erfassen wollen, benötigen Sie eine separate Seite (Vorsicht Datenschutz!). Und wenn Sie dieses regelmäßige Führungsinstrument mit einem Zielvereinbarungssystem verknüpfen wollen, braucht es auch da zusätzliche Inhalte und Prozesse.
Alles kein Hexenwerk oder Weltraumwissenschaft, aber anders.
Ich wünsche Ihnen Erfolg- und Ideenreiche sowie partnerschaftliche Dialoge!
ANHANG
Feedbackregeln & Wahrnehmungsfehler
Mehr Informationen
Gibt es ein bestimmtes Personalthema, über das Sie lesen möchten? Geben Sie uns ein Stichwort – Anne-Maike Winter schreibt gerne noch mehr Artikel!
Mehr Infos findet ihr außerdem in der Kategorie „Personal“.