Gastbeitrag von Marloes Göke
Unsere moderne Arbeitswelt dreht sich immer schneller und insbesondere für Selbstständige und Unternehmensinhaber hat der Tag nie ausreichend Stunden, weil sich permanent neue Anforderungen und Veränderungen ergeben und sie sich häufig für die verschiedenen Bereiche im Unternehmen alleinig verantwortlich fühlen.
Häufig entsteht daraus der Wunsch, das persönliche Zeitmanagement zu verbessern. Hierin liegt jedoch nicht selten ein weiterer Grund für Frustration. Denn klassisches Zeitmanagement passt nicht mehr zu den Anforderungen unserer hochkomplexen Arbeits- und Lebenswelt.
Inhalt
Aus welchen Gründen funktioniert klassisches Zeitmanagement nicht mehr?
Wir leben in einer Welt, die von Überfluss, ständigem Wandel, Unsicherheit und Komplexität geprägt ist. Alles ist nicht nur jederzeit verfügbar, sondern wir werden von vielem regelrecht überflutet. Informations- und E-Mail-Flut, Digitalisierung, Arbeitsverdichtung, Unsicherheit, Zeit- und Termindruck, Schnelllebigkeit und Dauerstress sind die Folgen. Auf diese Situation sind die linearen Techniken des klassischen Zeitmanagements nicht ausgerichtet.
Ein weiterer Grund hängt damit zusammen, dass die Aufgabe des klassischen Zeitmanagement darin besteht, alles, was anfällt zu strukturieren und zu erledigen. Es hat damit einen reaktiven Charakter. Die Herausforderung bei Überfluss, Überflutung und Flüchtigkeit besteht jedoch darin, eine Vorauswahl zu treffen. Denn es ist schlicht nicht möglich alle Informationen, die verfügbar sind, zu sichten, alle Optionen, die denkbar sind zu testen oder alle Kanäle, die es gibt, zu bespielen.
Der dritte Grund, weswegen klassisches Zeitmanagement an Grenzen stößt, ist unser Gehirn. Dieses ist nicht für die moderne, von Technologien und Ablenkungen geprägte Arbeitswelt konstruiert. Wenn wir die Funktionsweisen des Gehirns nicht kennen, bremst es uns erheblich aus.
Was benötigen wir stattdessen?
Die Managementwissenschaft unterscheidet mittlerweile fünf Generationen des Zeitmanagements. Die Weiterentwicklung bewegte sich weg von reinen Gedächtnisstützen und Zeitplanungen hin zu Priorisierung, Sinn und Selbstführung.
Werden diese Faktoren mitberücksichtigt und um einige weitere Aspekte ergänzt, zeigt die Praxis, dass wir gut aufgestellt sind, um mit den Anforderungen der modernen Arbeitswelt zurecht zu kommen, sondern zudem Zufriedenheit und Wohlbefinden zu erlangen.
1. Fokus die richtigen Dinge
Zunächst ist es relevant, richtig auszuwählen, und zwar bevor Sie überhaupt beginnen, Ihre Aufgaben oder Projekte zu managen. Ansonsten drohen Sie, wie man so schön sagt, in Schönheit zu sterben.
Bei der Frage nach den richtigen Dingen wird zwischen Effizienz und Effektivität unterschieden. Effizienz meint, die Dinge richtig zu tun, Effektivität hingegen die richtigen Dinge zu tun. Anders ausgedrückt beschreibt Effektivität die Fähigkeit, die wichtigen Aufgaben umzusetzen, die uns näher an unsere Ziele heranbringen, wohingegen Effizienz meint, eine Aufgabe mit höchster Wirkkraft zu erledigen.
Dabei ist es elementar, die richtige Reihenfolge einzuhalten: Zunächst geht es darum auszuwählen, was Ihre wichtigen Aufgaben sind, erst dann geht es um die Frage, wie Sie diese effizient erledigen. Denn am produktivsten sind Sie, wenn Sie gezielt auswählen und weniger tun, aber das, was Sie tun, effizienter umsetzen. Das WAS kommt also vor dem WIE! Denn etwas Unwichtiges wird nicht zu etwas Wichtigen, indem man es ökonomisch erledigt.
Ein Aspekt, der bei der Auswahl hilft, besteht darin, Ihren Fokus stärker auf Ihr angestrebtes Ziel und damit auf Ihre Ergebnisse zu lenken. Erfolgreich sein bedeutet: sich darauf zu konzentrieren, etwas zu bewegen und Ergebnisse zu erlangen, anstatt lediglich beschäftigt zu sein!
Hier kann es helfen, die Perspektive zu wechseln: ‚Was will ich erreichen?‘ im Gegensatz zu ‚Was liegt an?‘. Wir neigen dazu, uns zu sehr davon lenken zu lassen, was auf unserem Schreibtisch landet.
Ein klassisches Beispiel sind E-Mails. In unserer von elektronischer Kommunikation geprägten Welt besteht die Gefahr, sich von seiner Inbox tyrannisieren zu lassen. E-Mails bestimmen den Berufsalltag von sogenannten Wissensarbeitern. Sie strömen unablässig in den Posteingang, fordern unsere Aufmerksamkeit durch akustische und visuelle Signale und machen sich dadurch dringend. E-Mails betreffen jedoch in der Regel das Anliegen anderer Personen. Deren Bearbeitung bringt uns also unseren Zielen und Ergebnissen nicht näher.
Neben Ihren Unternehmenszielen betreffen die richtigen Dinge zudem alles, was Ihnen in Ihrem Leben wirklich wichtig ist. Hierunter fallen beispielsweise Ihre wichtigsten Bezugspersonen und Herzensmenschen, Ihre Gesundheit sowie Ihre Werte und Ihr Lebenssinn. Sofern Sie diese Bereiche ebenfalls in Ihren Fokus stellen und dafür sorgen, dass Sie dafür ausreichend Zeit einplanen, sind Sie gut aufgestellt, was sowohl Ihren unternehmerischen Erfolg als auch Ihre Lebenszufriedenheit angeht.
Eine wichtige Fähigkeit, die damit verbunden ist, sich auf die richtigen Dinge zu fokussieren ist „nein“ zu sagen. Um diese zu entwickeln, hilft es, sich bewusst zu machen, dass Sie jedes Mal, wenn Sie zu etwas ja sagen, zu etwas anderem nein sagen.
Nachdem die wichtigen Dinge identifizieren und die sich daraus ergebenen Aufgaben abgeleitet sowie terminiert sind, gilt es, dafür zu sorgen, diese im Fokus zu halten. In unserer Welt des Überflusses und der ständigen Veränderung ist es unerlässlich, über ein funktionierendes System zu verfügen, welches uns dabei unterstützt.
2. Ein verlässliches und gleichzeitig flexibles System
Dieses System sollte Ihren persönlichen Vorlieben genügen, Ihr ständiger Begleiter sein können und sicherstellen, dass Sie nichts vergessen.
Die Idee geht auf David Allen zurück, der dafür plädiert, „den Kopf freizubekommen“, damit Sie sich auf Ihre wichtigen Dinge fokussieren können.
Die Basis für das System stellt eine Wochenplanung dar. Sie bietet Flexibilität, eine gute Übersicht sowie Orientierung und zeigt sehr schnell auf, wenn Sie drohen, sich zu überplanen. Darüber hinaus können Sie klar Prioritäten setzen, Anpassungen vornehmen und flexibel auf Unvorhergesehenes reagieren.
Ein einfaches Werkzeug dafür ist Ihr Kalender. Wenn Sie neben Terminen dort auch alle Ihre Aufgaben eintragen, haben Sie ein solches System. Auf diese Weise sind Sie in der Lage, abzuschätzen, wie viel Zeit Ihnen zur Verfügung steht und wann Sie ein Projekt realistisch abschließen können. Dies ist der leichtere Teil.
Die Herausforderung besteht darin, mit diesem System zu arbeiten und es zu pflegen. Hierzu gehört, alles, was zu tun ist, dort einzutragen. Auf diese Weise wird es zu einem lernenden System.
Ein immenser Vorteil liegt darin, dass Sie jederzeit den Überblick behalten und beim Eintragen direkt priorisieren können. Wenn Sie sich dann an die Arbeit machen, ist es nicht notwendig darüber nachzudenken, was Sie nun als erstes tun sollten. Ihr System gibt es Ihnen vor. Dies ist insbesondere in stressigen Phasen wertvoll, da wir sonst dazu neigen in Aktionismus verfallen und irgendetwas zu tun, aus dem Wunsch heraus, Kontrolle zurückzugewinnen.
In der Praxis hat sich bewährt, Arbeitsblöcke mit ähnlichen Tätigkeiten zu bündeln. Sie haben dann z.B. einen Block Organisatorisches, in den Anrufe, E-Mails, Terminplanungen etc. gehören, andere könnten Vor- und Nachbereitungszeiten, Termine und Meetings, Konzept-, Strategie- und Marketingzeit sein.
Es ist sinnvoll, am Abend den Plan für den nächsten Tag zu überprüfen und ggf. Änderungen vorzunehmen. Insgesamt ist Ihre Wochenplanung ein völlig agiles und flexibles System, welches sich laufend verändert.
In diesen Plan gehören neben Ihren Terminen und Aufgaben auch Ihre Energie-Quellen. Wenn Sie nicht dafür sorgen, zwischendurch aufzutanken, werden Sie früher oder später ausbrennen. Also tragen Sie Familienzeit, Verabredungen mit Freunden, Bewegungseinheiten, lange Wochenenden usw. ebenfalls dort ein. Und noch viel wichtiger: Halten Sie insbesondere diese Termine ein!
Damit Sie jederzeit Anpassungen vornehmen können, bietet sich eine digitale Form an. Aber auch analog ist dies möglich. Wählen Sie eine Variante, mit der Sie gerne arbeiten wollen.
3. Ihr Gehirn zum Verbündeten machen
Wir leben in einer Welt, die von Ablenkungen geprägt ist. Alle modernen Kommunikationsmittel sind darauf ausgelegt, unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Unser Gehirn reagiert auf alle diese Alarmsignale höchst sensibel, denn es ist darauf programmiert, uns auf jede Art von Signaltönen oder optischen Reizen aufmerksam zu machen. Der Grund liegt in unserem Überlebensinstinkt.
In der Folge verlieren wir ständig unsere Aufmerksamkeit, springen von einer Sache zur nächsten und beschäftigen uns mit drei oder mehr Dingen gleichzeitig. Das kostet viel Zeit. Studien zeigen, dass wir bereits 40% länger benötigen, wenn wir uns mit zwei Dinge gleichzeitig beschäftigen, anstatt beide nacheinander bearbeiten.
Sich eine Aufgabe nach der anderen vorzunehmen, spart Zeit. Wir sind in unserer modernen Welt allerdings so daran gewöhnt, permanent unsere Aufmerksamkeit zu splitten, dass es anfangs schwierig sein kann, sich lediglich einer Aufgabe zur gleichen Zeit zu widmen. Hier ist gegebenenfalls etwas Geduld erforderlich.
Reservieren Sie zudem täglich 30 bis 90 Minuten konzentrierte Arbeitszeit, in der Sie Ihre wichtigen Themen bearbeiten. Schirmen Sie sich in dieser Zeit vor Störungen und Ablenkungen ab. Sinnvoll ist es, Ihr Team darüber zu informieren, dass Sie in dieser Zeit nicht gestört werden möchten und wann Sie wieder ansprechbar sind.
Ein weiterer Faktor, der unsere Leistungsfähigkeit limitiert, besteht darin, dass das Gehirn nicht fähig ist, acht oder mehr Stunden pro Tag zu denken. Denkprozesse, wie Probleme zu lösen, Strategien oder Konzepte zu erarbeiten, Verknüpfungen herzustellen oder kreativ zu sein, benötigen besonders viel Energie. Nach maximal 90 Minuten ist diese erschöpft. Berücksichtigen wir dies nicht, leidet unsere Konzentration, die Fehlerquote steigt und wir werden insgesamt fahrig. Um weiterhin Höchstleitungen vollbringen zu können, ist es notwendig Pausen einzulegen.
Was im Leistungssport jedem völlig klar ist, ist in der Arbeitswelt noch nicht akzeptiert. Pausen werden als unproduktive Zeit wahrgenommen. Dies ist ein Mythos, der Zeit kostet. Denn was im Sport zu Ermüdungsbrüchen und Leistungseinbrüchen führt, führt im Arbeitsleben zu Konzentrations- und Produktivitätseinbußen. Keine Pausen zu machen, kostet Zeit. Das Geheimnis liegt dabei eher in der Regelmäßigkeit als in der Länge.
Um Ihre Leistungsfähigkeit weiter zu steigern, können Sie Ihre Arbeitsblöcke so planen, dass Aufgaben, die Konzentration erfordern, sich mit Routineaufgaben abwechseln. Auf diese Weise kann sich Ihr Gehirn bei den Routineaufgaben regenerieren.
Und schließlich: Wenn Sie eine Pause machen, dann machen Sie wirklich eine Pause! Konzentrieren Sie sich auf die Erholung und nicht auf das, was noch zu tun ist.
Die Kernpunkte
Mit Zeitmanagement werden Sie Ihre Ziele nicht erreichen.
Was brauchen Sie stattdessen:
- Legen Sie den Fokus auf die richtigen Dinge.
- Unterscheiden Sie dabei zwischen Effektivität und Effizienz.
- Sorgen Sie für störungsfreie Zeit.
- Entwickeln Sie ein verlässliches System.
- Üben Sie sich im „nein“-sagen.
- Pausen sind nicht verhandelbar.
Die Autorin
Marloes Göke ist Expertin für selbstbestimmtes Unternehmertum. Sie ist davon überzeugt: Höchstleitungen und Wohlbefinden schließen sich nicht aus, sondern sind unmittelbar miteinander verknüpft.
Als Unternehmensberaterin mit betriebswirtschaftlichem und psychologischem Know-how unterstützt sie inhabergeführte Unternehmen und Selbständige dabei, sich stärker zu professionalisieren — mit dem Ziel, ein selbstbestimmtes, erfülltes und erfolgreiches Business zu führen.
Mehr Infos unter marloes-goeke.de.
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