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Corona-Lockdown: Zeit, das Geschäftsmodell zu überprüfen

Geschäftsmodell prüfen

Hat das Geschäftsmodell Schwächen? Muss an den Stellschrauben gedreht werden? Die staatlich verordnete Schaffenspause kann auch eine Chance für eine bessere Zukunft sein.

Eine Klausurtagung kann unbestritten positive Effekte haben. Nur fehlt oft die Zeit dafür. Unternehmen, die vom zweiten Corona-Lockdown voll erwischt werden, können sich über mangelnde Zeit nicht beklagen. Auf jeden Fall genug Zeit, das Geschäftsmodell zu prüfen, um zunächst die vielleicht wichtigste Frage zu beantworten: Hat mein Geschäft wirtschaftlich eine Zukunft?

Auch eine lange Tradition reicht nicht als Business-Case

So bitter es klingt, die Frage muss sich jeder ganz unsentimental stellen, auch wenn die Antwort lautet: „Wenn du entdeckst, du reitest ein totes Pferd, steig ab.“

Sentimentalitäten im Geschäftsleben können sich nur die erlauben, die es sich finanziell leisten können. Selbst, wenn es sich um ein mehr als 200 Jahre altes Traditionsunternehmen wie das Hamburger Wäschehaus Möhring handelt. 1802 gegründet, war das Geschäft am teuren Neuen Wall über viele Jahrzehnte hinweg eine Institution, wenn die Aussteuer hanseatischer Töchter mit standesgemäßer Bettwäsche, Handtüchern etc. angeschafft werden musste.

Corona kann Schwächen entlarven

Zeiten ändern sich. Die Aussteuer ist nicht mehr so wichtig wie ein Ehevertrag, und im Zweifel hat der Gemahl, wenn er denn nicht noch bei Mutti wohnt, auch schon eigene Handtücher und Bettwäsche. Zur Not auch von Ikea.

Corona hat Möhring den Rest gegeben. Arno Schmidt, der 80-jährige Inhaber, hat im Oktober 2020 angekündigt, dass er im nächsten Februar das Handtuch schmeißen wird. Pferd tot.

Corona kann Schwächen im Geschäftsmodell aufdecken. Im Fall Möhring war es unter anderem der Umstand, dass das Traditionsunternehmen es versäumt hat, einen Online-Vertrieb für die qualitativ über jeden Zweifel erhabenen Produkte aufzubauen.

Die sinkende Nachfrage war bei Möhring schon vor Corona ein Problem. Ein Umzug in den weniger schicken Großen Burstah senkte zwar die Mietkosten, ließ aber auch die Laufkundschaft wegbrechen.

Stellschrauben für die Zukunft justieren

Möhring zeigt beispielhaft, an welchen Stellschrauben gedreht werden kann.

  • Benötigen wir wirklich ein so großes Büro?
  • Können wir Arbeitsplätze dauerhaft ins Home-Office ausgliedern?
  • Ist ein günstigerer Standort sinnvoll?
  • Kann es gelingen, ein stationär betriebenes Geschäftsmodell um eine Online-Komponente zu erweitern?

Fragen (kein Anspruch auf Vollständigkeit), für deren ehrliche Beantwortung jetzt die richtige Zeit ist. Sachlich, lösungsorientiert und vor allem mit Taschenrechner.

Corona verschwindet sicher wieder aus unserem primären Bewusstsein, aber hinterlässt wie ein Vulkanausbruch eine Schneise der Verwüstung. Aber Lava ist bekanntlich auch ein sehr fruchtbarer Boden.

Corona birgt auch neue Chancen

Die Corona-bedingte Zwangspause kann nämlich auch Chancen bieten. Wenn durch einen Fall wie Möhring, in dem das Virus wie ein Katalysator gewirkt und den Pleite-Prozess beschleunigt hat, Ladenräume frei werden, kann so unter Umständen ein geeigneterer Standort für das eigene Unternehmen gefunden werden.

„Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall,“ sagen die Norddeutschen. So ist das eben, und das ist kein Grund für ein schlechtes Gewissen.

80.000 Geschäftsgründungen in einem Monat

Die slowakischen Daten-Spezialisten von FinStat haben zum Beispiel herausgefunden, dass die Corona-Maßnahmen der britischen Regierung seit April 2020 das Ende von mehr als 1.300 Firmen bedeutet haben. Gleichzeitig gab es in England aber allein im Juni 2020 fast 80.000 Neugründungen. Eine Steigerung von 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der größte Teil dieser Firmen ist im Online-Einzelhandel aktiv.

Corona ist, um diesem Ereignis zumindest einen positiven Aspekt abzugewinnen, mit etwas Abstand zum Tagesgeschäft eine gute Möglichkeit, das eigene Geschäftsmodell auf Herz und Nieren zu prüfen. Sollte die Antwort ein Ortswechsel ein, dann Umzugskisten packen, Gerätschaften und Geschirr mit belastbarer Handstretchfolie sichern und auf zu neuen Ufern.

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Kategorie: Management & Controlling

von

Holger Schöttelndreier

Freier Journalist und Autor. Jahrelange Erfahrung in Führungspositionen (Print und Online). U. a. Büroleiter BILD, Chefreporter Hamburger Morgenpost, Ressortleitung und Chefredaktion TV Hören + Sehen, Chefredakteur WOM Magazin, stellv. Chefredakteur Metal Hammer, Objektleiter Wirtschaftsmedien online Heinrich Bauer Verlag.

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