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Kennzahlen zur kurzfristigen Liquidität (1. – 3. Grades & Working Capital)

kurzfristigen Liquidität

Die Zahlungsfähigkeit ist eine wichtig Größe bei der Beurteilung der Stabilität eines Unternehmens. Wer nicht zahlen kann muss Insolvenz anmelden oder sich um die Beschaffung neuer Gelder bemühen.

Um einen objektiven Maßstab für die Zahlungsfähigkeit zu erhalten, gibt es unterschiedliche Liquiditätskennzahlen, mit deren Hilfe sich die kurzfristige Liquidität messen und bewerten lässt.

Kennzahlen zur kurzfristigen Liquidität

Die Analyse der kurzfristigen Liquidität betrachtet das Verhältnis von kurzfristig verfügbaren Mittel zu kurzfristigen Verbindlichkeiten. Die einzelnen Liquiditätsgrade ermöglichen eine Aussage über die kurzfristige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens.

Liquidität 1. Grades (Cash Ratio)

= liquide Mittel / kurzfristige Verbindlichkeiten x 100

Sie erlaubt eine Analyse darüber, inwieweit ein Unternehmen seine derzeitigen kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen allein durch seine liquiden Mittel erfüllen kann. Diese „Barliquidität“ sollte zwischen 20% und 50% sein, um kurzfristige Verbindlichkeiten schnell bedienen und den Skontoabzug nutzen zu können.

Liquidität 2. Grades (Acid Test Ratio, Einzugsliquidität)

= (liquide Mittel + kurzfristig Forderungen) / kurzfristige Verbindlichkeiten x 100

Sie ist ein Maß dafür, ob ein Unternehmen in der Lage ist, seine kurzfristigen Verbindlichkeiten zu bezahlen. Bei einem Wert kleiner als 100%, wird ein Teil der kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht durch kurzfristig zur Verfügung stehendes Vermögen gedeckt. Dadurch kann ein Liquiditätsengpass entstehen. Die Liquidität 2. Grades sollte daher zwischen 100% und 120% liegen. Liegt sie darunter deutet dies auf Probleme bei der Wertschöpfung, eine Fehlkalkulation der Produkte oder eine zu hohe Lagerhaltung von Halb- und Fertigerzeugnissen hin, weil diese noch nicht verkauft werden konnten.

Liquidität 3. Grades (Current Ratio, Gesamtliquidität)

= (liquide Mittel + kurzfristige Forderungen + Vorräte) / kurzfristige Verbindlichkeiten x 100

Sie gibt an, zu welchem Anteil das kurz- und mittelfristige Fremdkapital durch das Umlaufvermögen gedeckt ist. Die Liquidität 3. Grades sollte immer zwischen 120% und 150% liegen. Ist sie kleiner als 100% muss unter Umständen ein Teil des Anlagevermögens verkauft werden, um die Lieferanten bezahlen zu können. Auch deutet ein so geringer Wert auf Probleme bei der Preisgestaltung hin. Ein Wert über 150% hingegen deutet oft auf Probleme einer überhöhten Lagerhaltung hin, welche zu viel Kapital bindet.

Working-Capital

= Umlaufvermögen (d.h. liquide Mittel + kurzfristige Forderungen + Vorräte)  – Kurzfristige Verbindlichkeiten

Dieser Wert zeigt, wie hoch der Anteil des langfristig finanzierten Umlaufvermögens ist, d.h. welcher Teil des kurzfristig verfügbaren Vermögens NICHT zur Finanzierung der kurzfristigen Verbindlichkeiten benötigt wird. Somit ermöglicht die Kennziffer „Working-Capital“ eine Aussage über die Bonität eines Unternehmens. Daher sollte der Wert des Working-Capital mindestens > 0 sein. Ist dem nicht so, kann ein Unternehmen schnell in Zahlungsschwierigkeiten kommen.

Handlungsempfehlungen zur kurzfristigen Liquidität

Die bloße Berechnung der Liquiditätskennzahlen reicht nicht aus, um die finanzielle Stabilität eines Unternehmens zu beurteilen. Entscheidend ist die Interpretation der Ergebnisse und die Ableitung von Handlungsempfehlungen.

Liquiditätsengpässe beheben

  • Optimierung des Forderungsmanagements: Rechnungen zügig stellen und konsequent mahnen.
  • Verhandlungen mit Lieferanten über verlängerte Zahlungsziele.
  • Nutzung von kurzfristigen Finanzierungsinstrumenten, wie Kontokorrentkrediten.

Überliquidität vermeiden

  • Ãœberschüssige Zahlungsmittel gewinnbringend anlegen, z. B. in kurzfristige Geldmarktfonds.
  • Ãœberprüfung von Lagerbeständen: Bindet das Unternehmen unnötig Kapital in Vorräten?
  • Einsatz von Tools zur Liquiditätsplanung, um Mittel effizienter einzusetzen.

Regelmäßige Überprüfung und Szenario-Analysen

  • Liquiditätskennzahlen sollten regelmäßig analysiert werden, idealerweise monatlich.
  • Szenario-Analysen helfen, potenzielle Engpässe frühzeitig zu erkennen, z. B. in Zeiten saisonaler Schwankungen oder unerwarteter Kosten.

Proaktive Kommunikation

  • Bei absehbaren Zahlungsschwierigkeiten sollten Banken und Lieferanten frühzeitig informiert werden, um Vertrauen zu erhalten und flexible Lösungen wie Zahlungsaufschübe zu vereinbaren.

Mit diesen Maßnahmen können Unternehmen nicht nur Risiken minimieren, sondern auch eine nachhaltige Liquiditätsplanung sicherstellen.

Branchenspezifische Richtwerte

Branchenspezifische Richtwerte für Liquiditätskennzahlen können stark variieren, da Unternehmen in unterschiedlichen Branchen unterschiedliche Geschäftsmodelle, Zahlungszyklen und Kapitalanforderungen haben. Hier sind einige Richtwerte für die Liquiditätskennzahlen, die je nach Branche als Orientierung dienen können:

1. Liquidität 1. Grades (Barliquidität)

  • Handel (Einzel- und Großhandel): 5–20 %
    • Handelsunternehmen haben oft einen schnellen Warenumschlag und benötigen weniger sofort verfügbare Zahlungsmittel.
  • Produktion (Industrie): 10–30 %
    • Produktionsunternehmen halten größere Bestände, sodass eine etwas höhere Barliquidität sinnvoll ist.
  • Dienstleistungssektor: 15–50 %
    • Dienstleister sind häufig stärker von kurzfristigen Forderungen abhängig, weshalb ein höherer Wert angestrebt wird.

2. Liquidität 2. Grades (Einzugsliquidität)

  • Handel (Einzel- und Großhandel): 80–120 %
    • Die Zahlungsströme sind planbar, da Umsätze häufig direkt oder in kurzer Frist realisiert werden.
  • Produktion (Industrie): 100–150 %
    • Aufgrund längerer Produktions- und Zahlungszyklen liegt der ideale Bereich hier etwas höher.
  • Dienstleistungssektor: 120–150 %
    • Dienstleistungsunternehmen sollten eine höhere Einzugsliquidität aufweisen, da sie meist weniger greifbare Vermögenswerte haben.

3. Liquidität 3. Grades (Gesamtliquidität)

  • Handel (Einzel- und Großhandel): 150–200 %
    • Handelsunternehmen können häufig eine geringere Gesamtliquidität halten, da ihr Umlaufvermögen schnell umgeschlagen wird.
  • Produktion (Industrie): 200–250 %
    • In der Industrie sind höhere Werte erforderlich, da Produktionsprozesse Kapital langfristiger binden.
  • Dienstleistungssektor: 180–230 %
    • Dienstleister benötigen eine solide Gesamtliquidität, um Schwankungen in der Projektfinanzierung auszugleichen.

Zusätzliche Faktoren

  • Start-ups: Diese Unternehmen benötigen oft eine höhere Liquiditätsreserve, da Einnahmen anfangs unsicher und unregelmäßig sind. Liquiditätsgrade von über 200 % (alle Stufen) können notwendig sein.
  • Saisonabhängige Branchen (z. B. Tourismus, Landwirtschaft): Die Werte schwanken stark und hängen von der Saison ab. Hier ist eine sorgfältige Planung entscheidend.

Diese Richtwerte dienen als Orientierung und sollten stets in den Kontext des jeweiligen Unternehmens gestellt werden. Faktoren wie Marktposition, Finanzierungsmöglichkeiten und aktuelle Geschäftsentwicklung können diese Werte erheblich beeinflussen.

Mehr Informationen zum Thema Liquidität

Hier der Link zu allen Artikeln rund um Liquidität:

Liquidität

Vorlage für die Liquiditätsplanung

Pierre Tunger hat eine tolle Excel-Vorlage für die Liquiditätsplanung entwickelt. Mit diesem Tool überblickst Du ganz leicht die Entwicklung Deines Geldbestands. Du erkennst auf einen Blick, welche Gelder nicht gebunden sind und z.B. für Investitionen zur Verfügung stehen, aber auch wann ein Zahlungsengpass oder sogar eine Zahlungsunfähigkeit droht.

Die Vorlage kannst Du Dir hier anschauen:

Jetzt die Vorlage Liquiditätsplanung testenAcid Test Ratio

Literaturtipps

Hier sind drei aktuelle Literaturtipps, die sich mit dem Thema Liquidität und Liquiditätssteuerung befassen und Unternehmern sowie Selbstständigen praxisnahes Wissen vermitteln:

Finanz- und Liquiditätssteuerung*

Dieses Buch bietet praxisorientierte Instrumente des Controllings, um die Finanzen eines Unternehmens effektiv zu steuern. Es richtet sich insbesondere an mittelständische Unternehmen und stellt ein bilanzorientiertes Steuerungsinstrumentarium vor.

Handbuch Liquiditätsrisiko: Identifikation, Messung und Steuerung*

Dieses Handbuch analysiert umfassend den gesamten Komplex des Liquiditätsrisikos. Es legt einen besonderen Fokus auf aufsichtsrechtliche Anforderungen und die Integration von Liquiditätsrisiken in andere Risikoarten.

Liquiditätsplanung: Das Steuerungstool für zukunftssicheres unternehmerisches Handeln – ein Praxisleitfaden*

Dieser Praxisleitfaden konzentriert sich auf die präzise Abbildung zukünftiger Zahlungsströme und bietet ein konzeptionell stringentes Planungsmodell zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens.

Diese Literatur bietet fundierte Einblicke und praxisnahe Ansätze zur effektiven Liquiditätssteuerung in Unternehmen.

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