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Führungswahnsinn heute – Best Practice Leadershit

Best Practice Leadershit
Gastbeitrag von Stefan Häseli

DIE richtige Führung gibt es nicht – weder bei sich selbst noch bei Mitarbeitern und Teams oder dem Unternehmen als Ganzes. Viel zu oft ändern sich heute die Voraussetzungen, ganz unabhängig davon, dass es in der Führung nicht um Prozesse, sondern um den Menschen geht.

Demzufolge lässt sich auch nicht alles planen und steuern, sondern verlangt zum Großteil Flexibilität – schließlich leben wir in disruptiven Zeiten. Agilität ist gefragt!

Die Frage lautet aber vor allem: Sind Führungskräfte dieser täglichen Herausforderung gewachsen? Und wieviel Leadership-Qualitäten gibt es in den Führungsetagen? Oder ist es oft eher Best Practice Leadershit?

Eines steht fest: Führung ist eng mit Motivation verwoben. Aber machen wir uns nichts vor – und eigentlich wissen wir es längst – auch DIE richtige Motivation gibt es nicht! Wenn überhaupt, ist es eher ein Übertragen des eigenen Engagements, basierend auf Freiwilligkeit.

Also: Motivation leben, Ziele sauber formulieren und Wege dazu frei lassen. Die Mitarbeiter werden sich darin und daran entwickeln. Und genau DAS motiviert! Dann sind Mitarbeiter voll bei der Sache und vergessen über all den internen Themen auch die Kunden nicht – schließlich sind eben jene von essentieller Bedeutung für den Erfolg.

Dass es Führungskräfte nicht immer einfach und längst nicht alles im Griff haben – auch wenn Mitarbeiter das von ihnen erwarten, zeigen die beiden mehr oder weniger fiktiven Geschichten von und mit Hannes, 49. Der studierte Betriebswirt, Produktionsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung eines internationalen Industriekonzerns versucht mit klarer Kommunikation, kollegialem Stil und hoher Wertschätzung Ergebnisse zu erzielen. Nicht immer gelingt ihm das – trotz bester Absicht. Kein Wunder, dass sich die Absurditäten mehren. Nicht immer bemerkt, manchmal belächelt und häufig unter die Teppiche der Chefetagen gekehrt.

Ich motivier dann mal …

Hannes hat es erwischt: Seine Mitarbeiter sind nicht motiviert. Gemäß der letzten Personalumfrage ist der Wert bereits zum zweiten Mal in Folge gesunken. Diesmal sind es 0,4 Prozentpunkte weniger. Zwar ist das Niveau mit 86,491398 Prozent ziemlich ordentlich, aber „Luft nach oben gibt es ja immer“, sagt der CEO: „Man darf nie damit zufrieden sein, dass man zufrieden ist.“ Die Devise von Hannes’ Chef ist klar: „Sorgen sie dafür, dass diese Zahl nächstes Jahr wieder höher ist, am liebsten um die 90 Prozent.“

Hannes ist unsicher, was er tun soll. Irgendwann einmal hat er gelernt, dass ein Chef seine Mitarbeiter nicht motivieren kann. Im besten Fall soll er sie in einer Phase nicht demotivieren und dann ein Umfeld schaffen, in dem sich alle entwickeln und entfalten können. Aber das greift erst langfristig. Hannes bleiben nur ein paar Monate, um den Motivations-Wert aufzuhübschen. Er muss also aktiv motivieren.

Hannes wäre nicht Hannes, wenn er nicht planvoll und strukturiert vorgehen würde. Neben einem Stapel Motivationsbücher mit Titeln wie „Mitarbeiter motivieren in 30 Tagen“, „Gehe hin und motiviere“, „Die Steve-Jobs-Motivations-Methode“, zieht er selbst einschlägige Literatur von ehemaligen Eishockey- und Fussballtrainern zu Rate, die im Sport erfahren haben, wie man ein Team motiviert. Nach der Lektüre entscheidet Hannes, dass er „Think-positiv“ als Grundmotto für die Motivation einsetzt.

Kurz bevor er ins Büro seiner Abteilung oder in die Produktion geht, schaut er in den Spiegel. „Positives Gesicht“ – ein XXL-Grinsen setzt er auf, nicht nur kurz, sondern permanent, bis er das Büro respektive die Fabrikationshalle wieder verlässt.

Im Motivationsvideo zum FiSH!-Buch hat er gesehen, dass Fische werfen motiviert. Hannes kauft sich Büroklammern. Beim Eintritt ins Großraumbüro seiner Innendienst-Equipe, wirft er rein spaßeshalber immer eine Hand voll Büroklammern in die Luft. Die Adressaten dieser Nachricht wird die Botschaft wohl erreichen – obwohl sie es noch nicht schaffen, die Freude daran auch zu zeigen.

Selbst die Signatur seines E-Mail-Accounts hat Hannes motivierender gestaltet. Das professionell-knapp formulierte „freundliche Grüße“ wird ersetzt durch „lebensfrohe Energie und einen supertollen Tag wünscht Ihnen …“

Hannes steht überhaupt nicht auf so etwas. Als gelernter Ingenieur ist er den wissenschaftlichen Tatsachen verpflichtet. Vom Typ her liegt sein Hauptgewicht auf „DISG-blau“, er ist also strukturiert, ordentlich und aufgabenbezogen. Aber wenn in den Büchern steht, dass solcher Schnickschnack nützt, dann wird es wohl auch so sein. Und der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge.

Mitarbeitergespräche sind (k)eine Kunst!

Die Zeit ist reif. Das Verhalten eines Mitarbeiters gefällt Hannes schon lange nicht mehr. Die Leistungen von Mustermann sind alles andere als mustergültig. Termine werden so knapp eingehalten, dass es oft unsicher ist, ob es klappt. Außerdem häufen sich die Krankentage am Montag nach Heimspielen des Lieblings-Fussballclubs.

Immer wieder hat Hannes sich eingeredet, dass es besser werde und Mustermann nicht damit konfrontiert. Im Grunde aber ist es so, dass Hannes das entscheidende Gespräch seit Monaten vor sich herschiebt. Jetzt ist es soweit.

Hannes hat Fakten gesammelt und bastelt sich einen Leitfaden für das Gespräch. Wie soll er beginnen? Etwas Smalltalk? Das schafft Atmosphäre. Allerdings ist zu viel davon auch nicht gut. Man soll nicht zu kollegial wirken, wenn es hart auf hart kommt.

Stichwortartig notiert Hannes: „Kurzer Smalltalk: Wetter passt immer, fragen ob er Skifahren geht“. Aber was, wenn der Mitarbeiter gleich nach dem Ski-Urlaub fragt? Also muss ein unverfänglicheres Thema her. „Wie geht’s?“ Nicht sehr kreativ und es interessiert ihn auch nicht besonders – auf der anderen Seite fragt sein Chef ihn das auch immer.

Dann zum Problem: „Ich bin heute da, um mit Ihnen…“ das hört sich zu sehr nach Verhör an, zu dramatisch. Also direkter: Herr Mustermann“ – das ist etwas förmlich, distanziert, schießt es Hannes durch den Kopf. „Geschätzter Herr Mustermann“. Genau, das drückt Wertschätzung aus, so steht es im Leitbild. Also: „Geschätzter Herr Mustermann, ich bin grundsätzlich zufrieden mit Ihnen“.  Nein, das gefällt Hannes nicht. „Grundsätzlich zufrieden“ hört sich negativ an. Dann kann er ja gleich sagen: „Ich bin unzufrieden mit Ihnen.“ Aber das ist doch recht hart, wie ein Schlag ins Gesicht.

Es ist zum verrückt werden. Soll er sein Harmoniebedürfnis aufgeben, um seinem Chef zu gefallen? Soll er seinen Mitarbeiter verstimmen, um danach noch mehr Probleme zu haben? Aber wenn’s so weitergeht wie bisher, geht’s eben auch nicht.

Nach zwei Stunden Vorbereitung, holt sich Hannes einen Kaffee. Beim Automaten steht Mustermann. Er telefoniert privat. Hannes schaut ihn verdattert an, Mustermann schaut zurück und fragt: „Passt etwas nicht?“. Hannes ist sauer und spontan entwischt ihm ein: „Ja, dass Sie privat telefonieren und nicht arbeiten“.

Hannes muss gerade sehr glaubwürdig gewirkt haben. Mustermann unterbricht das Gespräch und geht an seinen Arbeitsplatz. Hannes ist stolz, einen solch tollen Gesprächseinstieg gefunden zu haben. Mit gesundem Menschenverstand lässt sich doch vieles erreichen. Zufrieden wendet sich Hannes dem Tagesgeschäft zu – im Wissen, ein Mitarbeiterproblem konstruktiv angegangen zu sein und gelöst zu haben – oder auch nicht!

Best Practice Leadershit – das Buch von Stefan Häseli

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Titel: Best Practice Leadershit: Absurde Wahrheiten aus den Chefetagen*

Inhalt: »Leadershit« ist eine realistische Satire. Gekonnt spiegelt Stefan Häseli die alltäglichen Absurditäten in den Chefetagen wider. Vom rigorosen Sparprogramm im Gewand einer revolutionären Innovation, einem Leitbildkonfigurator für den schnellen Erfolg bis hin zu kruden Marketing-Konzepten liefert dieses Buch das Handwerkszeug für Führungskräfte. Für solche, die es schon sind, die es gerne werden wollen und all jene, die dort nie ankommen werden.

Die Geschichten rund um den Manager Hannes illustrieren amüsant bis scharfzüngig, was im Moment in den Chefetagen so ausgebrütet und angedacht wird – denn von durchdenken kann ja keine Rede mehr sein, und wie den Mitarbeitern auch der letzte Blödsinn noch als großer Fortschritt verkauft wird.

Gebundene Ausgabe: 184 Seiten
Verlag: BusinessVillage; Auflage: 1 (28. März 2019)
ISBN: 978-3-86980-454-5
Preis: 19,95 EUR

Der Autor

Stefan HäseliStefan Häseli regt als internationaler Speaker dazu an, wirkungsvolle Kommunikation im Alltag mit Spaß zu erleben.

Der 5-Sterne-Redner ist Autor zahlreicher Bücher und Kolumnen. Als Business-Comedian präsentiert er Absurditäten aus den Management-Etagen mit feinsinnigem Humor.

Mehr unter stefan-haeseli.com

Best Practice Leadershit

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Foto: BusinessVillage

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