Management & Controlling
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„Hidden” war gestern!

Familienunternehmen
Gastbeitrag von Dr. Dominik von Au

That’s next: Statt leiser Zurückhaltung – Familienunternehmen müssen sich öffnen und ihre Führungsrolle hörbar spielen.

Der Wandel, den wir erleben, ist radikaler, als ihn viele Familienunternehmer wahrhaben wollen. Er ist mit nichts vergleichbar, was sie und ihre Eltern-Generation seit dem Wiederaufbau nach dem Krieg erlebt haben. Wir nehmen teil an dem schnellen, radikalen Shift vom Industriezeitalter zur Netzwerk- und Plattformökonomie.

Plattformen – Suchmaschinen, Vergleichs- und Bewertungsportale, Marktplätze, Handelsplattformen, Mediendienste, soziale Netzwerke etc. – haben die Marktstrukturen in einigen Branchen komplett verändert; und das nicht nur im Endkunden-Geschäft – der B2B-Bereich ist davon gleichermaßen betroffen. Und das geht immer weiter und immer schneller.

Digitale Plattformen im Trend

Egal welches Familienunternehmen, egal welches Produkt, egal für welchen Kunden: Die heutigen Wertschöpfungsketten wird es so nicht mehr lange geben. Stattdessen werden sich überall dort, wo sie den Kunden echten Mehrwert versprechen, digitale Plattformen etablieren.

Viele Familienunternehmen leiten daraus (noch) keine Gefahr für ihr Geschäftsmodell ab. Häufig definieren sie sich weiterhin über ihre herausragenden Produkte, die kein anderer in gleicher Qualität herstellt. Schließlich hat sie ihre technologische Qualität made in Germany zum „Hidden Champion gemacht.

In der neuen Welt hat eine solche Definition über die Produkte aber immer weniger Relevanz: Kunden gewichten den Service der Plattformen zusehends höher. Was nutzt dann das beste Produkt, wenn es nicht mehr gefunden wird, weil es auf der Plattform nicht sichtbar ist?

Außerdem steigen die Ansprüche der Kunden rasant. Sobald es einem Anbieter gelingt, eine Innovation in Bezug auf Komfort, Nutzen, Erlebnis etc. durchzusetzen, verbreitet sich diese in Windeseile. Sie wird zum neuen Standard, den der Kunde ab sofort von allen anderen Anbietern erwartet.

Dadurch entsteht enormer Druck auf die Familienunternehmen, dem sie auf sich selbst gestellt kaum gewachsen sind. Schlüssige und praktikable Antworten auf die Entwicklung findet kein Unternehmen mehr allein.

To Do‘s für Familienunternehmen

Das veränderte Kundenverhalten erklärt den Siegeszug der Plattformen. Sie haben zwar keine eigenen Produkte, aber eine inzwischen dominante Marktposition. Das macht sie zum zentralen Anlaufpunkt sowohl für die Nachfrager als auch für die eigentlichen Anbieter. Sie schaffen es, sich als „intermediäre Instanz“ (also als Bindeglied) in die oft seit Jahrzehnten bestehenden Geschäftsbeziehungen einzuklinken – und sich auf dem jeweiligen Markt unverzichtbar zu machen.

Die Produzenten verlieren dabei nach und nach den direkten Zugang zu ihren Kunden. Das hat viele unangenehme Konsequenzen.

Aus diesen Entwicklungen ergeben sich folgende To Do’s:

1. Schluss mit dem Versteckspiel!

Wer den Kundenzugang und damit wesentliche Teile seiner Wertschöpfung nicht verlieren will, muss jetzt vor allem eines: transparenter, offener und noch kundenorientierter werden. Raus ins Licht, in der richtigen Sprache und auf den richtigen Kanälen.

Familienunternehmen, die nicht in der digitalen Bedeutungslosigkeit verschwinden wollen, müssen sich verändern. „Hidden“ war gestern!

Das Familienunternehmen Berner zum Beispiel zog mit der Zentrale von Künzelsau nach Köln. Und der Duderstädter Prothesenhersteller Otto Bock kaufte weitab vom Firmensitz das Bötzow-Areal in Berlin mitten im coolen Kiez und inszeniert dort sein neues „Future Lab“, gekonnt begleitet von umfangreicher Berichterstattung der Medien.

2. Kooperationen müssen her!

Die Abschottung gegenüber Wettbewerbern ist passé: Die nächste revolutionäre Produktneuheit entsteht in der Shared Economy. Da wird vieles geteilt und gemeinsam gemacht; nicht mehr bei einem einzigen Unternehmen im Tüftlerstübchen auf der Schwäbischen Alb.

Erfolg wird haben, wer kooperationsbereit und kooperationsfähig ist – und dann tatsächlich kooperiert.

3. Nachhaltigkeit nachvollziehbar leben!

Glaubwürdiges nachhaltiges Handeln ist immer mehr ein schlagendes Kaufkriterium. Hier muss viel klarer und offensiver kommuniziert werden, was in diesem Sinne konkret getan wird.

Konsumgüterhersteller wie Ritter Sport (mit dem verantwortlichen Kakao-Anbau in Nicaragua) und Vaude (mit ressourcenschonend produzierten Rucksäcken) tun das längst. Auch in allen anderen Branchen zieht das Unternehmer-Argument „Nachhaltige Produktion bezahlt mir doch kein Mensch“ nicht mehr!

4. Potenzielle Mitarbeiter emotional und offen ansprechen!

Familienunternehmen müssen reden über das, was sie tun. Sie müssen ihr Unternehmen erlebbar machen auf allen Kanälen, online wie offline. Der „War-for-Talents“, der Kampf um die besten Köpfe, wird längst im Netz entschieden.

Sie brauchen zu hundert Prozent nachvollziehbare Argumente dafür, sich für den neuen Job bei genau diesem einen Unternehmen zu entscheiden. Schließlich bewirbt es sich bei ihm – und nicht mehr umgekehrt …

5. Gemeinsam stark sein!

Wer neue technologische Entwicklungen nicht erst für sich entdecken will, wenn der Wettbewerber das beste neue Produkt schon auf den Markt gebracht hat, muss netzwerken und kooperieren. Er muss mit den Tabus aus früheren Tagen brechen und zum Beispiel über seine F&E-Aktivitäten lange vor Marktreife sprechen.

Nur so gewinnt man heute die klügsten Köpfe und begeistert Start-ups für sich. All das funktioniert an einem Ort sicher nicht: hinter verschlossener Tür.

Kooperationen für die Zukunft

Der Siegeszug der Netzwerkökonomie bedeutet für Familienunternehmen vor allem eines: Sie müssen sich öffnen!

Das widerspricht bei vielen jedoch noch ihrer über Jahrzehnte gelebten protestantischen Arbeitsethik: strebsam sein, extrem erfolgreich und verschwiegen. Verschwiegenheit und Abschottung gegenüber den Wettbewerbern sind in der neuen Welt aber keine Erfolgsformeln mehr. Im Gegenteil – sie sind Sargnägel!

Deshalb kämpfen etliche Familienunternehmen derzeit massiv mit ihrem Selbstverständnis. Kooperieren, sich öffnen geht ans Grundsätzliche. Kooperieren bedeutet nämlich auch Wissen teilen und den Wettbewerb schlauer machen.

Oftmals ist das eine Gratwanderung: Das Teilen von Wissen erhöht die Schlagkraft von Unternehmens-Kooperationen, kann aber auch den Wissensvorsprung einzelner Unternehmen gefährden. Wie viel Wissen kann man preisgeben, ohne sein gewichtiges Asset geistiges Eigentum zu gefährden?

Eine schwierige Abwägung. Aber Familienunternehmen kommen nicht umhin, ihre in der DNA verinnerlichte Intransparenz aufzugeben. Sie haben angesichts der Entwicklung von Technologien und Märkten keine andere Wahl.

Fest steht: Wer sich öffnet und kooperiert, wird in der Regel mehr bekommen als er gibt. Und er wird vor allem dadurch future-ready, bereit für die beste Zukunft seines Unternehmens.

Der Autor

Dr. Dominik von Au„Wer die neuen Unternehmer weiterbringen will, muss sie inspirieren. Und vorangehen.“ Dr. Dominik von Au macht die NextGen in Familienunternehmen future-ready.

Dafür ist er zum einen der Geschäftsführer der INTES Akademie für Familienunternehmen. Sein Fokus hier, mit dem Gespür für die Dynamiken im Gesellschafter-Kreis: Zukunft schaffen mittels einer Familienverfassung für die ganze Inhaberfamilie und der strukturierten Regelung der Nachfolge. Zum anderen ist er dafür Partner bei PwC. Sein Fokus hier, mit der Zahlen-Daten-Fakten-Expertise: Zukunft schaffen, damit unternehmerisches Wachstum profitabel gelingt und die Unabhängigkeit weiterhin gesichert bleibt.

DvA lebt und atmet NextGen – nach seinen Regeln, humorvoll, immer auf Augenhöhe. Er ist im Präsidium der Kommission Governance Kodex für Familienunternehmen, zudem Mitglied der Jury zur Wahl des „Familienunternehmers des Jahres“ und des „Berenberg-Preises für unternehmerische Verantwortung“. Für seine eigene Future-Readiness ist er in Bayern familiär geerdet und in der Welt zuhause. Sein Leitsatz: „Der Wandel ist krass. Packen wir ihn radikal an!“

Dr. Dominik von Au ist Co-Autor des Debattenbuchs „f.cube – So sichern Sie die Zukunft Ihres Familienunternehmens“.

Das Buch zum Thema

Titel: f.cube: So sichern Sie die Zukunft Ihres Familienunternehmens*

Autoren: Dr. Peter Bartels, Prof. Dr. Peter May, Dr. Dominik von Au

Inhalt: Familienunternehmen haben eine große Zukunft – wenn es ihnen gelingt, die gesellschaftlichen, ökonomischen und technologischen Herausforderungen zu meistern. Dieses Buch bietet einen Bausatz, aus dem Familienunternehmer ihr individuelles Zukunftsmodell erstellen können – ihren f.cube.

Um den f.cube zu entwickeln, werden dem Leser zentrale Herausforderungen für Unternehmen vorgestellt, die sich wie ein Baukasten zu einem individuellen Gesamtbild zusammensetzen lassen. Erarbeitet haben die einzelnen Elemente namhafte Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft in Diskussionsrunden.

Gebundene Ausgabe: 343 Seiten
Verlag: Haufe
ISBN-13: 978-3648125663
Preis: 39,95 EUR

Familienunternehmen

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Foto: Haufe

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