Gastbeitrag von Anne M. Schüller
Wie ein Unternehmen zum Überflieger der Wirtschaft wird? Ihr braucht frische, freche, wilde, kühne Ideen. Ideen, die so noch nicht gedacht worden sind. Viele solcher Ideen. Denn nur wer viel würfelt, der würfelt am Ende auch Sechser. Dieser Beitrag will zeigen, wie man am besten an solche Ideen gelangt.
Neulich habe ich eine interessante kleine Geschichte gehört: Eine Frau nimmt einen Kredit auf, gründet damit eine Firma und meldet schon kurz darauf Insolvenz an. Als Betriebswirtschaftler würdest du wahrscheinlich verstehen wollen, warum die Geschäftsidee nicht funktionierte. Ein Marketingmensch würde sich mit der anvisierten Zielgruppe befassen, ein Controller mit der Kostensituation.
Ein Business-Coach würde Führungsfehler, ein Psychologe persönliche Probleme vermuten. Und der Lokalreporter? Der wittert einen betrügerischen Bankrott. „Fragt man jemanden nach dem zentralen Punkt eines Problems, nennt er zumeist den eigenen Kompetenzbereich“, so der Schweizer Autor und Unternehmer Rolf Dobelli. Dieses Phänomen hat sogar einen Namen. Es nennt sich „Déformation professionelle“.
Inhalt
- Wie wir Gedankenrohlinge im Austausch weiterentwickeln
- Überflieger der Wirtschaft haben viele unverbrauchte Ideen
- Von der Entwicklung einer neuen Idee bis zur Machbarkeit
- So gelingt die Priorisierung der erfolgversprechendsten Ideen
- Viel experimentieren – und Kunden sehr früh involvieren
- Unbedingt: eine firmeninterne Ideenbank installieren
- Bücher von Anne M. Schüller
Wie wir Gedankenrohlinge im Austausch weiterentwickeln
Wer seinen Blick durch die eigene Expertenbrille lenkt, kann das komplexe Spiel der Zusammenhänge meist nur schwerlich erkennen. Dies macht Fehleinschätzungen dann sehr wahrscheinlich. Bei einer guten Idee ist es das Gleiche. Kommt sie aus dem stillen Kämmerlein, ist sie oft zu einseitig gedacht. Denn Abschottung macht das Denken eng. Besser, wir schärfen unsere Gedankenrohlinge im Austausch und pflegen die Kunst des gemeinsamen Denkens, wodurch sich Geistesblitze spannend miteinander verknüpfen.
Aus Ideenfunken werden bahnbrechende Innovationen am ehesten dann, wenn ihr die „Weisheit der Vielen“ mit intersektionaler Kreativität kombiniert. Im Gegensatz zur direktionalen Kreativität, bei der man der Richtung einer Grundidee folgt, vernetzt intersektionale Kreativität zwei oder mehr unterschiedliche Konzepte miteinander. Solche Diversität der Denk- und Handlungsweisen erzeugt Vielfalt statt Einfalt, treibt völlig neue Ideen voran und sorgt für unerwartete Neukombinationen.
Intersektionale Kreativität entsteht vor allem an den Schnittstellen verschiedener Disziplinen, Kulturen und Technologien sowie an Knotenpunkten, also dort, wo sich Bahnen kreuzen. Im Kleinen passiert das bereits in der Kaffeeküche, auf Barcamps, in Großgruppenworkshops, in Coworking-Spaces, in firmeninternen sozialen Netzwerken – und immer auch dann, wenn Fach-, Branchen- und Silobarrieren abgebaut werden. In großem Stil entsteht intersektionale Kreativität überall dort, wo es Ökosysteme für Innovationen gibt, etwa in Technologiezentren und auf Innovationsplattformen.
Überflieger der Wirtschaft haben viele unverbrauchte Ideen
Jede Idee wird nur dann zu einer Innovation, wenn sie in die Tat umgesetzt wurde und sich erfolgreich vermarkten lässt. Doch eine Firma ist nicht deshalb gut, weil sie einmal einen Kassenschlager entwickelt hat. Sie ist gut, weil sie die Fähigkeit in sich trägt, Potenziale für Kassenschlager stets früh zu erkennen und diese am laufenden Band zu erschaffen. Um lange am Markt zu bestehen, benötigt ihr immer wieder anderes Neues.
Damit originelle Ideen entstehen, braucht es zunächst eine Prise Verrücktheit, also überzogene, gewagte, kuriose, wilde, spektakuläre, skurrile Ausgangsideen. Sie sollen unser Denken beflügeln. Verrückte Ideen sind oft auch die Basis für außergewöhnlich gute, unkonventionelle Initiativen. Zudem lernt man nicht nur von guten, sondern auch von schlechten Ideen.
Zu Beginn eines Ideengenerierungsprozesses muss das Problem verstanden und die Thematik durchdrungen werden. Am Ende dieses oft recht aufwendigen Schrittes wird die Kernfrage formuliert, die die Basis für die anschließende Ideenentwicklung und das weitere Vorgehen ist. Wie das geht? Die Ziele des Kunden werden als User Story formuliert. Diese beschreibt einen prototypischen Kunden und den maßgeblichen Grund, weshalb er/sie die zu erstellende Lösung kauft oder nutzt.
Von der Entwicklung einer neuen Idee bis zur Machbarkeit
Bei größeren Innovationsprojekten empfehle ich zwei voneinander getrennte Phasen: die Phase der Ideenfindung und die Phase der Überführung in die Realität. Beide Phasen benötigen verschiedene Persönlichkeitstypen. Das heißt demzufolge: Die Zusammensetzung der Gruppen variiert. Ein:e Moderator:in dient als Verbindungsglied.
Die Kreativgruppe
besteht aus Menschen, die eine besondere Eignung für Neuanfänge, Übergänge und Vorreitertum haben: Visionäre, Pioniere, Regelbrecher. Sie geben den kreativen Input und entwickeln Vorwärtsdrang. Sie stellen die abwegigsten Fragen, sie denken das Undenkbare und träumen sich in die schönsten Luftschlösser rein. Sie sehen in allem Neuen ein Eldorado von Chancen und nicht gleich Gefahr. Für Routinevorgänge und Kleinteiligkeit fehlt diesem Typ Mensch das Talent. Superkreative ziehen oft derart viel „Kick“ aus dem Schöpfungsprozess, dass sie fast die Lust verlieren, sobald es an die kleinteilige Umsetzung geht.
Die Umsetzungsgruppe
besteht aus Menschen, die pragmatisch, strukturiert und umsetzungstalentiert sind. Denn in Phase zwei kehrt man auf den Boden der Tatsachen zurück. Man filtert, priorisiert und konzentriert sich auf die wirklich brauchbaren Ideen. Hierbei geht es um Machbarkeit, und das erfordert einen anderen Menschentyp: Routiniers, Umsetzer, Bewahrer, Skeptiker, Detailverliebte. Werden diese zu früh in ein Projekt einbezogen, ersticken sie jede verrückte Idee schon im Keim. Zu einem späteren Zeitpunkt hingegen stellen sie sicher, dass tatsächlich an alles gedacht wird und das Ganze am Ende auch funktioniert.
So gelingt die Priorisierung der erfolgversprechendsten Ideen
Nach der Ideenfindung folgt die Priorisierung. Hierbei könnt ihr euch an den „7 R“ orientieren:
- Ist die Idee relevant für den Kunden? Bringt sie ihm/ihr also Nutzen?
- Ist die Idee revolutionär im Sinne von anders und überraschend neu?
- Ist die Idee rasch umsetzbar, zumindest in einer ersten Probeversion?
- Ist die Idee robust, das heißt, hält sie dem Einsatz in der Praxis stand?
- Ist die Idee reproduzierbar, lässt sie sich weiterentwickeln/skalieren?
- Ist die Idee rentierlich, kann man also damit (zügig) Geld verdienen?
- Ist die Idee regenerativ, unterstützt sie also Klima, Umwelt und Soziales?
Ihr visualisiert das am besten in Form einer Entscheidungsmatrix. Dabei geht es, wie die Abbildung zeigt, um die Achsen Nützlichkeit/potenzielle Nachfrage und Machbarkeit/Wirtschaftlichkeit. Was aus Sicht des Kunden maßgeblich ist, hat dabei Vorrang. Erst dann geht es darum, ob und wie ihr zur Umsetzung in der Lage seid.
Viel experimentieren – und Kunden sehr früh involvieren
Nutzt die „Weisheit der Kunden“ und zieht sie zu einem möglichst frühen Zeitpunkt hinzu. Sonst entstehen Lösungen für ein Problem, das gar keines ist. Man macht „noch ‘ne App“, weil man es kann – und nicht, weil der Markt sie braucht. Was nicht den Kunden dient, ist Verschwendung. Erst dann, wenn eine neue Idee oder Technologie ein Problem sinnvoll löst, könnt ihr Kunden dazu bringen, sich darauf einzulassen.
Alle Mitarbeitenden in solchen Projekten brauchen psychologische Sicherheit: den geschützten Raum einer fehlertoleranten Experimentierkultur. „Better done than perfect“, „Good enough for now“ und „Safe enough to try“: Solche Ansätze aus der Startup-Welt sind dafür bestens geeignet. Lieber testen, ausprobieren, nachjustieren – und nicht warten, bis alles perfekt ist, denn perfekt ist es nie.
Experimentieren heißt, Ideen herauszufiltern, die scheitern, um diejenigen zu finden, die funktionieren. Insofern braucht es Ressourcen für Versuch und Irrtum. Ihr müsst also Zeit und Geld bereithalten für einen zweiten, dritten, vierten Versuch. Misserfolge sind ein notwendiger Teil jedes Innovationsprozesses. Wer die nicht will, dem werden auch keine großen Würfe gelingen. Man muss üben, um zu brillieren.
Unbedingt: eine firmeninterne Ideenbank installieren
Um jederzeit Ideen bei der Hand zu haben und aus dem Vollen zu schöpfen, braucht ihr einen Überschuss an Ideen. Zudem fallen bei jedem Ideenfindungsprozess gute Ideen an, die aus unterschiedlichsten Gründen zunächst nicht weiterverfolgt werden können. Schließlich haben wir oft die besten Ideen, wenn wir sie gerade nicht brauchen. Für all das empfehle ich eine Ideenbank.
Wieso Bank? Man zahlt Ideen ein, bei Bedarf hebt man eine ab, andere bleiben als Einlage für später liegen. Dies reduziert auch verständlichen Mitarbeiterfrust, wenn eine Idee nicht gleich an die Reihe kommt. Und nichts geht verloren. Eine Ideenbank ist interaktiv, allen zugänglich und vollkommen transparent. Wie in einem Regal werden dort Ideen zur Ansicht, zum Bewerten, zum Kommentieren und zum Ausprobieren angeboten. Jeder kann dort seine Ideen teilen, Inhalte weiterentwickeln und vom erfolgreichen Einsatz einer Idee erzählen, was andere anspornt, es auch zu versuchen.
Übrigens: Wer tiefer in den insgesamt achtstufigen Ideenentwicklungsprozess eintauchen will, der findet alle Details dazu in meinem neuen Buch „Zukunft meistern*“.
Die Autorin
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenzentrierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events.
2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.
Bücher von Anne M. Schüller
Titel: Zukunft meistern: Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter*
Inhalt: Sie wollen die Zukunft meistern? In diesem Buch steht, wie das geht. Der erste Schritt: Zukunftsverständnis entwickeln, Szenarien erstellen und mithilfe von Zukunftsbildern erkunden, wie die Welt in fünf, in zehn oder gar zwanzig Jahren aussehen könnte. Der zweite Schritt: Nicht irgendwann, sondern jetzt mit Mut und Tatkraft beginnen, den Wandel aktiv mitzugestalten. Was wir heute tun oder lassen, entscheidet darüber, wie es uns fortan ergeht. Wer mit wachsamem Optimismus an die Zukunft herantritt, dem zeigt das Buch eine Fülle neuer Geschäftsmodelle, die unsere Wirtschaft nach vorne bringen.
Die mehrfach preisgekrönte Autorin und Keynote-Impulsgeberin Anne M. Schüller richtet in diesem Werk den Blick weit nach vorn. Es ist ein Trend- und Toolbook zugleich. Für vielerlei Branchen enthüllt es die Zukunftstrends der nächsten Dekade. Zudem zeigt es detailliert, wo es weiterhin hakt und in welche Richtung wir loslaufen sollten, weil erstklassige Chancen dort auf uns warten. Die LeserInnen werden Dingen begegnen, die es heute noch gar nicht gibt, manchem, was gerade entsteht, und vielem, was wir dringend anpacken müssen. Es ist eine Entdeckungsreise zu PionierInnen, InnovatorInnen und ÜbermorgengestalterInnen. Sie sind die wichtigsten Menschen in einer Gesellschaft, die die Zukunft erreichen will.
Herausgeber: GABAL; 1. Edition (25. Januar 2024)
Gebundene Ausgabe: 232 Seiten
ISBN-13: 978-3967391817
Preis: 29,90 EUR
Titel: Das Touchpoint-Unternehmen: Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt*
Inhalt: Mitarbeiterführung vom Kopf auf die Füße gestellt Wir stecken mitten drin im größten Change-Prozess aller Zeiten. Die Macht ist zu den Mitarbeitern gewandert. Top-down ist passé. Inside-out auch. Unternehmensprozesse beginnen heute beim Kunden, führen über die Mitarbeiter hin zum Management. Outside-in-bottom-up heißt von nun an der Kurs. Die Unternehmen müssen den Sprung vom Pyramidensystem zur Netzwerk-Organisation im Eiltempo schaffen. Um am Markt überhaupt punkten zu können sind Innovationen zunächst im firmeninternen Zusammenspiel dringendst vonnöten. Mitarbeiterführung muss neu gelernt werden. Die digitale Transformation, neue Arbeitsmodelle und die zuströmenden Digital Natives lassen den Unternehmen keine andere Wahl. Nach ihrem mehrfach preisgekrönten Bestseller Touchpoints stellt Anne M. Schüller in diesem Buch Mittel und Wege vor, mit deren Hilfe sich die neue Arbeitswelt meistern lässt:
- Die sieben Schlüsselaufgaben, die jetzt zu bewältigen sind
- Führungskonzepte für die Mitarbeiter von heute und morgen
- Ein Schritt-für-Schritt-Instrumentarium, um die Interaktionspunkte zwischen Mitarbeiter, Führungskraft und Organisation zu perfektionieren
Pointiert, unterhaltsam und verständlich geschrieben hat dieses Buch alles, um Unternehmern und Führungskräften ein praxisorientierter Wegweiser in die Zukunft zu sein.
Herausgeber: GABAL
Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
ISBN-13: 978-3869365503
Preis: 29,90 EUR
Titel: Bahn frei für Übermorgengestalter!: 25 Quick Wins für Innovatoren und Zukunftsversteher*
Inhalt: Das Buch zeigt 25 rasch umsetzbare Initiativen und weit über 100 Aktionsbeispiele, um zu einem Überflieger der Wirtschaft zu werden. Kompakt und sehr unterhaltsam veranschaulicht es jedem, der helfen will, eine bessere Zukunft zu gestalten, die maßgeblichen Vorgehensweisen in drei Bereichen: Wie machen wir die Menschen stärker, das Zusammenarbeiten besser und die Innovationskraft im Unternehmen größer.
Herausgeber: GABAL
Taschenbuch: 216 Seiten
ISBN: 978-3967390933
Preis: 24,99 EUR
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