Gastbeitrag von Peter Jungblut
Folgt man den Prognosen, sind oder werden zahlreiche Unternehmer infolge der Pandemie in Turbulenzen geraten. Viele werden vor der Entscheidung stehen, Insolvenz anzumelden oder mit zusätzlichen Krediten oder privatem Geld weiterzumachen.
Ich stand mit meinem Unternehmen im Jahr 2012 vor dieser Entscheidung. Meine Entscheidung, weiterzumachen, war falsch, wie sich sehr bald herausstellte. Die Insolvenz folgte ein Jahr später. Die Konsequenzen für mein weiteres Leben waren erheblich gravierender, als wenn ich diesen Weg ein Jahr zuvor gegangen wäre.
Dieser Insolvenz folgten die Privatinsolvenz, das Ende meiner Ehe, eine schwere Depression, Suizidversuche. Nach meiner Entlassung aus der psychiatrischen Klinik Ende 2015 habe ich mich mit der Frage auseinandergesetzt, warum ich mein Unternehmen gegen die Wand gefahren habe – und mein Leben gleich mit.
Meine beiden wichtigsten Erkenntnisse mögen denjenigen, die jetzt in einer ähnlichen Situation sind Mut machen und helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Keine Angst vor dem Scheitern!
Wer sich mit dem „Scheitern“ auseinandersetzt, kommt am Begriff des „Scheiterhaufens“ nicht vorbei. Zweifellos war der Scheiterhaufen, so wie wir ihn aus alten Dokumenten „kennen“, eine der unmenschlichsten Erfindungen überhaupt. Und es wäre mehr als vermessen, Parallelen zwischen den armen Kreaturen früherer Zeiten, die im Feuer starben, und heutigen „Gescheiterten“ zu ziehen. Aber die Brutalität des Schauspiels einer Hinrichtung durch Verbrennung legt die Vermutung nahe, dass die Scheiterhaufen weniger dazu da waren, um die Delinquenten zu bestrafen. Die Scheiterhaufen des Mittelalters waren vielmehr die Druckmittel des Establishments, die ihm dienende Gesellschaft zu einem möglichst stromlinienförmigen und produktiven Leben zu mahnen. Das Ziel war, die Implementierung und Festigung der Angst vor dem Scheitern in den Köpfen der Menschen.
Es mag dieser Schrecken aus vergangenen Zeiten sein, der dazu beiträgt, dass das Scheitern für uns bis heute ein Tabuthema ist. Zwar wird man auf den Scheiterhaufen der heutigen Zeit nicht mehr verbrannt, aber wer als Unternehmer scheitert, IST verbrannt – zumindest der klassische Unternehmer, der nicht mit „Spielgeld“ hantiert, sondern mit allem haftet, was er besitzt.
Ich habe erlebt, was das heißt und wie schmerzhaft das sein kann. Auf der anderen Seite habe ich erfahren, wie befreiend es sein kann, sich fallen zu lassen. Ich habe die Erfahrung gemacht, mit wie wenig Materiellem man im Leben auskommen kann und wie frei man sich fühlen kann, wenn man nichts mehr besitzt, bzw. wenn einen nichts mehr besitzt.
Mein Scheitern hat mich dazu „gezwungen“, mich neu zu erfinden. Die Privatinsolvenz habe ich dabei als eine Art „Schutzraum“ empfunden, der mich zwar einschränkt, mir aber auf der anderen Seite viele Freiheiten gibt, die ich als Unternehmer lange nicht hatte.
Deshalb ist meine erste und wichtigste Erkenntnis: Verliert die Angst vor dem Scheitern.
Es sind unsere Entscheidungen, die uns scheitern lassen
Heute bin ich davon überzeugt, dass ich sowohl die Insolvenz meines Unternehmens als auch meine Depression hätte verhindern können, wenn ich über das Entscheiden gewusst hätte, was ich heute weiß. Denn nach meiner „Wiedergeburt“ habe ich angefangen, mich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Entscheidungsforschung auseinanderzusetzen.
Heute weiß ich, dass ich die Entscheidung im Jahr 2012, keine Insolvenz anzumelden, grob fahrlässig getroffen habe und welchen Urteilsfehlern ich dabei auf den Leim gegangen bin.
Stellen Sie sich selbst folgende Frage:
Ihr Unternehmen ist in einer Schieflage. Die Banken sind bereit, Ihre Kreditlinien zu erweitern. Sie könnten aber auch Insolvenz anmelden. Wie treffen Sie die Entscheidung.
Ich frage bewusst nicht, „Wie entscheiden Sie?“, sondern „Wie treffen Sie die Entscheidung?“
Mir jedenfalls war das damals überhaupt nicht klar. Ich habe die Fakten gesehen und eine Vermutung angestellt, wie sich mein Unternehmen in den nächsten Monaten entwickeln wird. Antworten auf die Frage, wie ich die Entscheidung getroffen habe und welchen Urteilsfehlern ich dabei auf den Leim gegangen bin, habe ich in den Forschungsergebnissen der Verhaltensökonomik gefunden. Das ist die Wissenschaft, die sich mit der Frage beschäftigt, wie Menschen Entscheidungen treffen.
Was zunächst nur dazu gedacht war, um zu verstehen, ist zu einer Berufung und einer neuen wirtschaftlichen Existenzgrundlage geworden. Meine Expertise ist die Analyse von wichtigen Studien der Entscheidungsforschung, um sie für den Entscheidungsalltag von Unternehmer und Managern nutzbar zu machen.
Vieles von meinem neuen Wissen und meinen Erfahrungen findet sich in meinem Buch „Tagebuch meiner Insolvenz. Tagebuch meiner Depression.*“ wieder.
Meine zweite und nicht minder wichtige Erkenntnis: Verbessert Eure Entscheidungskompetenz.
Mein Buch ist bei ein wertvoller Ratgeber, der die Erfahrungen aus der Entscheidungspraxis eines Unternehmers mit den Erkenntnissen der Entscheidungsforschung verbindet.
Der Autor
Peter Jungblut war Inhaber einer der größten deutschen Werbeagenturen. Nach der Insolvenz seines Unternehmens hat er sich mit der Frage auseinandergesetzt, warum er sein Unternehmen gegen die Wand gefahren hat – und sein Leiben gleich mit.
Die besten Antworten hat er bei der Wissenschaft gefunden, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie Menschen Entscheidungen treffen. Was zunächst nur dazu gedacht war, um zu verstehen, ist zu einer neuen Berufung geworden. Jungblut analysiert Studien der Verhaltensökonomen und macht sie für die Entscheidungspraxis in Unternehmen umsetzbar. Er unterstützt Unternehmen bei der Verbesserung der Entscheidungskompetenz ihrer Mitarbeiter:innen. Über das Thema hat er inzwischen 3 Bücher verfasst.
Mehr Infos zum Buch
Titel: Keine Angst vor dem Scheitern. Tagebuch meiner Insolvenz, Tagebuch meiner Depression.*
Inhalt: In dem Buch beschreibe ich das Scheitern der Juwi MacMillan Group. Ich zeige, welche Fehlentscheidungen dazu geführt haben und welchen Urteilsfehlern ich dabei auf den Leim gegangen bin. Das Buch ist ein praktischer Ratgeber für alle, die Fehler beim Entscheiden vermeiden wollen. Eine sehr persönliche Note erhält es durch die Eintragungen aus meinem Tagebuch, die die einzelnen Kapitel begleiten. Dass Scheitern zu schweren Erkrankungen, wie z. B. Depressionen führen kann, ist kein Geheimnis. Insofern zeige ich in dem Buch anhand meiner Tagebucheintragungen, wie ich nach der Insolvenz meines Unternehmens Schritt für Schritt in eine schwere Depression geglitten bin, die mir beinahe das Leben gekostet hätte. Auch dabei spielen Urteilsfehler und falsche Entscheidungen eine zentrale Rolle.
Taschenbuch, A5, 186 Seiten, 48 Abbildungen
Preis: 19,80 EUR
[…] Wir müssen das „Scheitern“ wieder lernen. […]