Gastbeitrag von Anne M. Schüller
Viele Unternehmen müssen sich nach Corona neu erfinden. Der beste Startpunkt dafür ist jetzt. Hierzu braucht man frische, mutige, unverbrauchte Initiativen – von Menschen, die als unkonventionelle Ideengeber fungieren. Diese benötigen Spielfelder zum Experimentieren – und eine passende Führungskultur.
Überall auf der Welt definieren Visionäre gerade das Mögliche neu. Vor allem die technologischen Innovateure sind hochaktiv. Über alle Grenzen hinweg entwickeln sie Initiativen, die Ideen, Wissen und Können neu miteinander verknüpfen – und so unser Leben verbessern. Disruptiv kombinieren sie Technologien und vernetzen die virtuelle mit der realen Welt auf immer neue, kühne, bahnbrechende Weise.
Wie sie das machen? Das Denken und Handeln gegen die Regel gehört zu den maßgeblichsten Erfolgsfaktoren, um sich von Durchschnitt und Mittelmaß abzuheben. Neuerungen können zudem nur dort entstehen, wo es den passenden Nährboden gibt:
- die Erlaubnis zum Widerspruch,
- eine ergebnisoffene Lernkultur und
- Freiraum zum Experimentieren.
Standards, Regeln und Normen sind nur dann gut, wenn es gilt, eine Minimumqualität zu erreichen und ein Abrutschen nach unten abzusichern. Sie erzeugen keine Exzellenz, sondern Isomorphie: Alles gleicht sich immer mehr an. Doch nur das Besondere, Faszinierende, Bemerkenswerte hat eine Zukunft. Bei Allerweltlösungen entscheidet allein der Preis. Dann soll es wenigstens billig sein. Für die Bilanz ist das verheerend.
Inhalt
Weiterdenker legen Trittsteine ins Neuland
Um den Sprung nach vorne zu schaffen, brauchen wir fortan Mitarbeiter, die sich als Vorreiter und Pioniere ins Neuland wagen: Game Changer, Freigeister, Vorwärtsbringer, Übermorgengestalter. Sie sprühen vor Ideen, wie man das, was in die Jahre gekommen ist, besser machen könnte, sollte und müsste. Sie sind Helfershelfer auf dem Weg in die Zukunft, Lotsen in die kommende Zeit.
Solche Menschen im Unternehmen sind ein echter Wettbewerbsvorteil. Denn sie befolgen nicht fraglos und unbesehen, was ein Prozess oder System von ihnen verlangt. Gottseidank. Denn Konformismus erzeugt Stillstand. Nichts wird mehr gewagt, was womöglich schiefgehen kann. Währenddessen zieht die flottere Konkurrenz mit Besserem, Neuerem zügig an einem vorbei.
Hätten die Menschen immer alle Regeln befolgt, säßen wir noch heute in der Savanne. Zu allen Zeiten waren es die furchtlosen Weiterdenker und Andersmacher, die mit Entdeckerfreude, Gestaltungslust, neugierigem Infragestellen und umtriebigen Ideen Konventionen durchbrachen und erste Trittsteine in neue Lebensräume legten. Dieser unbändige Vorwärtsdrang, das Entdecker-Gen in uns, brachte die Menschheit voran.
Schwache Leader verspielen die Zukunft
Zwangsläufig muss man sich von Veraltetem trennen, damit das notwendige Neue „werden kann“. Leider ist man mit solchen Gedankengängen vielen im Unternehmen ein Graus. Bloß nicht den Laden durcheinanderbringen, bloß nicht für Unruhe sorgen, bloß nicht das beschauliche „weiter so“ stören. „Wer sich der vorgegebenen Ordnung nicht fügt, den können wir hier nicht gebrauchen“, erklärte man mir neulich.
Freigeistern den Mund verbieten? So sehen die Reaktionen schwacher Chefs aus, die Angst um ihren Status haben und andere deklassieren müssen, damit ihre eigene Kleinheit nicht so auffällig ist. Wer seine Mitarbeiter kleinhält, wird von ihnen keine großen Jobs bekommen. Und wer sie nicht zum optimierenden Mitdenken bringt, wird feststellen, dass es in seinem Bereich bald keine bedeutenden Leistungen mehr gibt.
Schwache Leader beharren auf vermeintlich Bewährtem. Regeln und Normen geben ihnen einen Sicherheitsrahmen. Neue Wege bedeuten für sie nicht Chance, sondern Gefahr. Zudem haben sie Angst vor der Demaskierung. Sie präferieren Command & Control. Sie hüten Wissen, denn das gibt ihnen Macht. Sie erzeugen ein Umfeld von Unlust und blindem Gehorsam. Weiterdenker stellen für sie ein permanentes Risiko dar. Sie verweigern ihnen Entfaltungsräume und neigen dazu, sie fertig zu machen.
Darüber hinaus sind schwache Leader defizitorientiert. Sie thematisieren die Schwächen ihrer Leute – und nicht deren Stärken. Sie heben deren Fehler und nicht deren Erfolge hervor. Sie können sich schlecht auf andere Sichtweisen einlassen. Selbst die genialsten Ideen werden sie niedertrampeln, wo es nur geht. Und in Wahrheit? In Wahrheit hat ihr Ego vor allem Sorge um Machtverlust – oder Angst vor dem Zeigen von Schwäche.
Starke Leader geben Freigeistern Raum
Starke Leader wissen, wie wichtig neues Denken und Handeln ist, um die Zukunft erreichen zu können. Sie geben keine Direktiven vor, sondern unterstützen autonome Entscheidungen in ihren Teams. Spielfelder des Experimentierens sind in ihrem Umfeld völlig normal. So sorgen sie für einen Nährboden stetigen Wandels und erzeugen Biotope für unkonventionelle Ideen. Neuesprobierern zollen sie Anerkennung. Querdenkenden wird Wertschätzung entgegengebracht. Wagemut wird belohnt. Auf diese Weise beflügeln sie ihre Mitarbeiter zu immer neuen Heldentaten.
Bei starken Leadern stehen nicht Vorgaben, Forderungen und Kontrollaktionen im Vordergrund, sondern das Befähigen und die vertrauensvolle Ermunterung. Sie stecken Spielfelder ab, in denen Handlungsoptionen für großartige Ideen und hohe Performance entstehen können. Sie öffnen Türen, entfernen Hürden und machen die Bahn frei, damit die Leute lossprinten können. Hie und da stellen sie – abhängig von Aufgabenstellung und Mitarbeitertypologie – auch ein paar Leitplanken auf, damit niemand in den Abgrund gerät. Wenige Spielregeln bestimmen, was geht und was nicht.
Zudem erleben starke Leader die Perspektiven anderer als bereichernd. Ihre eigene Meinung betrachten sie als eine von vielen Möglichkeiten. Ihnen ist sonnenklar: Die Menschen wollen wirksam werden, sie wollen erfolgreich sein und das Unternehmen nach vorne bringen. Man muss nur alles entfernen, was sie daran hindert. Spielraum und gefahrloses Ausprobieren lässt Menschen reifen. Eigenverantwortung macht sie selbstbewusst. Entscheidungskompetenz macht sie stark. Selbstinitialisierte Weiterentwicklung macht sie kreativ – und damit die ganze Firma fit für die Zukunft.
Zukunftsmacher brauchen Rückendeckung
Als vor Jahren enthusiastische Entwickler bei Atari begannen, Videospiele zu konzipieren, bekam einer von ihnen, der an Star Raiders arbeiten wollte, zu hören: „Ein Spiel, bei dem man im Weltraum herumfliegt und andere Raumschiffe abschießt? Das ist die dümmste Idee, die uns je untergekommen ist. Schreiben Sie das Projekt ab!“ Star Raiders ist nur deshalb fertiggeworden, weil der Entwickler vorgab, sich um die regulären Atari-Programme zu kümmern – und weil sein direkter Vorgesetzter ihn schützte. Das Spiel wurde zu einem Kassenschlager – und von der Stanford University zu einem der zehn wichtigsten Computerspiele aller Zeiten gekürt.
Was zeigt: Vorwärtsbringer muss man fliegen lassen. Wer sie domestizieren und ihnen die Flügel stutzen will, nimmt ihnen genau die Power, die sie so überaus wertvoll macht. Bevormundung und starre Regelkorsetts kommen für sie nicht in Betracht. Ihnen geht es um spannende Aufgaben, an denen sie selbstwirksam arbeiten können – damit am Ende auch ihr Unternehmen davon profitiert.
Folgende Überlegungen treiben sie an:
- Ergibt es Sinn, was ich hier tue?
- Kann ich mich einbringen und etwas zum Guten verändert?
- Werde ich als wertvoll gesehen und in meinem Tun anerkannt?
Gute Ideen sind sehr zerbrechlich und werden leicht totgetrampelt. Weil man mit ihnen oft ins Abseits gerät, brauchen Neudenker Rückendeckung. Nur dann kann sich ihre Wirkkraft voll entfalten. Andererseits müssen sie hie und da eingebremst werden, da sie sich in ihrem Übereifer bisweilen vergaloppieren. Und sie werden sich auch verlaufen. Doch wie heißt es so schön: Wer sich nie verirrt, findet auch keine neuen Wege.
Können Sie Freigeister führen? Ein Schnelltest
Der Chef als Ansager und Aufpasser? Fortan nicht akzeptabel! Freigeister stehen für Autonomie und Gestaltungskraft, für Gleichrangigkeit und Selbstwirksamkeit. Dazu brauchen sie Denkraum und Spielraum. Denn man muss üben, um am Ende zu siegen. Und nur, wer viel würfelt, der würfelt auch Sechser. Machen lassen heißt folglich: Entscheidungs- und Wahlfreiheit über den Weg zu den vereinbarten Zielen geben. Als Führungskraft ist man nicht dazu da, alle Entscheidungen selbst zu treffen. Das ist, als ob der Trainer die Elfmeter schießen müsste. Ein Profispieler kann das viel besser.
Vielleicht haben Sie jetzt Lust auf den untenstehenden Test. Ergänzen Sie ihn gern mit Fragen, die Ihnen wichtig sind. Zudem bietet sich eine Selbstbild–Fremdbild–Analyse an, da sich die Eigenwahrnehmung oft verschiebt und viele zur Selbstüberschätzung neigen. Geben Sie sich also zunächst selbst die entsprechenden Punkte. Anschließend bitten Sie Mitarbeiter und Kollegen, Ihnen eine Bewertung zu geben. Fragen Sie unbedingt auch nach dem Grund für eine jeweilige Note. Davon lernt man am meisten.
Die Autorin
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenzentrierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events.
2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.
Bücher von Anne M. Schüller
Titel: Zukunft meistern: Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter*
Inhalt: Sie wollen die Zukunft meistern? In diesem Buch steht, wie das geht. Der erste Schritt: Zukunftsverständnis entwickeln, Szenarien erstellen und mithilfe von Zukunftsbildern erkunden, wie die Welt in fünf, in zehn oder gar zwanzig Jahren aussehen könnte. Der zweite Schritt: Nicht irgendwann, sondern jetzt mit Mut und Tatkraft beginnen, den Wandel aktiv mitzugestalten. Was wir heute tun oder lassen, entscheidet darüber, wie es uns fortan ergeht. Wer mit wachsamem Optimismus an die Zukunft herantritt, dem zeigt das Buch eine Fülle neuer Geschäftsmodelle, die unsere Wirtschaft nach vorne bringen.
Die mehrfach preisgekrönte Autorin und Keynote-Impulsgeberin Anne M. Schüller richtet in diesem Werk den Blick weit nach vorn. Es ist ein Trend- und Toolbook zugleich. Für vielerlei Branchen enthüllt es die Zukunftstrends der nächsten Dekade. Zudem zeigt es detailliert, wo es weiterhin hakt und in welche Richtung wir loslaufen sollten, weil erstklassige Chancen dort auf uns warten. Die LeserInnen werden Dingen begegnen, die es heute noch gar nicht gibt, manchem, was gerade entsteht, und vielem, was wir dringend anpacken müssen. Es ist eine Entdeckungsreise zu PionierInnen, InnovatorInnen und ÜbermorgengestalterInnen. Sie sind die wichtigsten Menschen in einer Gesellschaft, die die Zukunft erreichen will.
Herausgeber: GABAL; 1. Edition (25. Januar 2024)
Gebundene Ausgabe: 232 Seiten
ISBN-13: 978-3967391817
Preis: 29,90 EUR
Titel: Das Touchpoint-Unternehmen: Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt*
Inhalt: Mitarbeiterführung vom Kopf auf die Füße gestellt Wir stecken mitten drin im größten Change-Prozess aller Zeiten. Die Macht ist zu den Mitarbeitern gewandert. Top-down ist passé. Inside-out auch. Unternehmensprozesse beginnen heute beim Kunden, führen über die Mitarbeiter hin zum Management. Outside-in-bottom-up heißt von nun an der Kurs. Die Unternehmen müssen den Sprung vom Pyramidensystem zur Netzwerk-Organisation im Eiltempo schaffen. Um am Markt überhaupt punkten zu können sind Innovationen zunächst im firmeninternen Zusammenspiel dringendst vonnöten. Mitarbeiterführung muss neu gelernt werden. Die digitale Transformation, neue Arbeitsmodelle und die zuströmenden Digital Natives lassen den Unternehmen keine andere Wahl. Nach ihrem mehrfach preisgekrönten Bestseller Touchpoints stellt Anne M. Schüller in diesem Buch Mittel und Wege vor, mit deren Hilfe sich die neue Arbeitswelt meistern lässt:
- Die sieben Schlüsselaufgaben, die jetzt zu bewältigen sind
- Führungskonzepte für die Mitarbeiter von heute und morgen
- Ein Schritt-für-Schritt-Instrumentarium, um die Interaktionspunkte zwischen Mitarbeiter, Führungskraft und Organisation zu perfektionieren
Pointiert, unterhaltsam und verständlich geschrieben hat dieses Buch alles, um Unternehmern und Führungskräften ein praxisorientierter Wegweiser in die Zukunft zu sein.
Herausgeber: GABAL
Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
ISBN-13: 978-3869365503
Preis: 29,90 EUR
Titel: Bahn frei für Übermorgengestalter!: 25 Quick Wins für Innovatoren und Zukunftsversteher*
Inhalt: Das Buch zeigt 25 rasch umsetzbare Initiativen und weit über 100 Aktionsbeispiele, um zu einem Überflieger der Wirtschaft zu werden. Kompakt und sehr unterhaltsam veranschaulicht es jedem, der helfen will, eine bessere Zukunft zu gestalten, die maßgeblichen Vorgehensweisen in drei Bereichen: Wie machen wir die Menschen stärker, das Zusammenarbeiten besser und die Innovationskraft im Unternehmen größer.
Herausgeber: GABAL
Taschenbuch: 216 Seiten
ISBN: 978-3967390933
Preis: 24,99 EUR
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